Harley-Davidson ruft weltweit Händler zum »King of the Kings«-Schrauber-Battle auf. Die deutsche Schmiede Thunderbike tritt mit einem Evo-Sportster-Chopper in den Ring – und wirft uns damit zurück in die Seventies

Seit Jahren richtet Harley-Davidson den Custom-Contest »Battle of the Kings« aus. Teilnehmen durften nur die Vertragshändler der Company. Die Basis für ihr Projekt war meist eine Sportster, zudem schrieben die Regeln eine Beschränkung des Budgets vor, damit jeder Dealer mitmachen konnte. Dieses Jahr läuft der Wettbewerb etwas anders: 2020 treten die Sieger der letztjährigen Contests zum »King of Kings« an – insgesamt achtzehn Harley-Davidson-Händler aus zwölf Ländern. Wieder sollen sie eine Sportster umbauen, diesmal allerdings ohne Begrenzung des Budgets. »Sowas freut natürlich jeden Customizer«, geben Thunderbike-Chef Andreas und seine Tochter Kim offen zu.

Eine Sportster als Basis war gesetzt, ansonsten haben die Customizer beim »King of the Kings«-Contest freie Hand

Für den Wettbewerb schwebte dem Team aus Hamminkeln ein Chopper vor – ganz im Stil der frühen Easy Rider, aber nicht als schlichte Kopie, sondern vielmehr als eine neue Interpretation der alten Schule. Und natürlich mit allem Know-How und Equipment, das eine moderne Custom-Manufaktur zu bieten hat. Als Basis entschieden sich Vater und Tochter für eine 1995er Evo-Sportster, da diese älteren Modelle einen deutlich schmaleren Rahmen haben und viel weniger Elektronik an Bord ist. Wenn das Ziel ein möglichst cleanes Bike ist, dann stört jedes einzelne Bauteil, ja sogar jedes einzelne Kabel, das irgendwo noch unterzubringen ist. Wie am Endergebnis gut zu erkennen ist, wirkt das Bike extrem aufgeräumt, nichts Überflüssiges stört, alles fügt sich harmonisch zu einem Gesamtbild zusammen.

Perfekte Verbindung von Tradition und Moderne

Wie bei den meisten Umbauprojekten, ob professionell oder privat, wird auch die Sportster zunächst komplett zerlegt und alle nicht mehr benötigten Teile aussortiert. Danach befassen sich die Customizer zunächst ausgiebig mit den Proportionen im Ist- und im Soll-Zustand. Das Bike soll hinten tief- und vorn hochgelegt werden. In Kombination mit schmalen in Rädern, vorn 21 Zoll hoch, hinten 19 Zoll, wird so für den gewünschten Chopperlook gesorgt. Erst nachdem alle Maße festgelegt sind, wird mit dem eigentlichen Umbau begonnen – zunächst am Rechner.

Die Schwinge wird schon während der Konstruktionsphase zu einem der favorisierten Parts von Kim und Andreas und zeigt sehr schön die Verbindung aus Moderne und Tradition. »Das Design entstand komplett am Computer, die Umsetzung dagegen in alter Schlossermanier«, erklärt Andreas. Aus über zwanzig Einzelteilen wurde das Teil Stück für Stück in einer speziellen Schweißvorrichtung zusammengesetzt, geheftet und anschließend verschweißt. Die Konstruktion ist dabei so ausgeklügelt, dass Bauteile wie die Bremstrommelabstützung, der Kettenspanner, die Stoßdämpferaufnahmen und auch der Kennzeichenhalter nicht nachträglich angeschraubt werden müssen, sondern mit dem Design verbunden sind.

Das Design entstand komplett am Computer, die Umsetzung in traditioneller Schlossermanier

Für die Gesamtlinie des Bikes sind der Heckfender und die Struts zwei maßgebende Bauteile. Das Team entscheidet sich, einen Fender zu entwerfen, der das Hinterrad bis knapp hinter der Achsmitte begleitet und so eine knackige Heckansicht erzeugt. Rohteile als Basis für die Struts lagen noch von einem älteren Projekt im Lager. Sie wurden aufgedoppelt, geteilt und um 180 Grad versetzt wieder zusammengefügt, bis sie perfekt zwischen Fender und Rahmen passten.

Eine King-and-Queen-Sitzbank ist beim Chopperthema Pflicht

Die Sissybar reiht sich nahtlos in diesen Prozess ein, als Ausgangsmaterial wurden Prototypen-Struts, ebenfalls aus einem vergangenen Custom-Projekt verwendet. Doch auch diese dienten lediglich als Vorlage für das Design. Mit den kleinen, seitlich aufgeschweißten Gehäusen gibt es zudem eine schöne Lösung für Rücklicht, Bremslicht und Blinker.
Als Sitzbank kam nur eine im King-and-Queen-Look infrage. »Wer das Chopperthema ernst nimmt, kommt daran nicht vorbei«, ist Andreas überzeugt. Ganz im Stil der 70er hat Jimmy von Spirit Leather dieses Thema perfekt umgesetzt. Mit dem Sitz ist der harmonische Übergang zwischen Tank, Fender und Sissybar geschafft.

King and Queen ist Pflicht: Die Lederarbeiten stammen von Spirit Leathers

Der Tank selbst besteht aus zwei Teilen, zum einen der verchromten Grundplatte, auf der der Tank eingefasst und befestigt ist, zum anderen aus dem Peanut-Tank selbst. Um diesen so schön schmal zu bekommen, wurde er zuerst von seinem Boden befreit und auf die gewünschte Breite geschmälert. Anschließend bekam der Tank einen neuen Boden sowie neue Anschlüsse für die Benzinhähne und einen Schraubstutzen für den Tankdeckel.

Für die Grundplatte wurden die Umrisse des geschmälerten Tanks auf Karton gezeichnet und um sieben Millimeter zu allen Seiten erweitert. Auf dieser umlaufenden, vergrößerten Grundplatte schweißte Experte Jörg zwei gefräste Flacheisen mit integrierten Befestigungspunkten in aufwendiger Handarbeit an. Auch der Öltank ist »handmade«, seine Form überaus wichtig für die schlanke Linie. Sie garantiert einen guten Übergang zwischen dem Heck und dem Frontend. Auch an Letzterem gab es keine Kompromisse.

Sauberer geht’s kaum: Bedient wird per kleinen Tasterschaltern, der Gaszug liegt innen

Eine schmale Gabel ist für den echten Chopperlook natürlich erste Wahl. Die Basis dazu, wie Gabelholme, Radnabe und Bremssättel, entstammt dem Vorgängermodel, der legendären Harley-Sportster Ironhead. Gabelbrücken, Scheinwerfer, Tacho-Halter und Blinker dagegen wurden bei Thunderbike aus dem Vollen gefräst. Der passende Lenker wurde aus drei Teilen zusammengebaut. Das erste ist ein aus dem vollem gefrästes Verbindungsstück, das mit der Gabelbrücke verschraubt ist und gleichzeitig den unteren Bogen bildet. Das zweite und dritte entstammt einem alten Lenker, der dafür geopfert wurde. Die Bögen wurden einfach passend abgesägt und nach der Sitzprobe an das erste Teil geheftet und anschließend verschweißt.

Der Motor wurde komplett revidiert

Bleibt nur noch der Evo-Motor, der einer kompletten Revision unterzogen wurde. Dafür wurde er in seine Einzelteile zerlegt, alle Komponenten intensiv gereinigt und sämtliche Verschleißteile ersetzt. Die Ventile wurden eingeschliffen sowie neue Zylinder und Kolben verbaut. Der Motorblock ist nun pulverbeschichtet und die Rippen frei geschliffen. Dazu gibt es neue Harley-Chrom-Motor-Abdeckungen und die berühmten Live-to-Ride-Logos als Derby- und Timer-Cover. Stößel-Cover aus Messing runden das neu erschaffene Gesamtbild ab.

Ein finanzielles Budget gab es nicht, so konnte das Thunderbike-Team aus dem Vollen schöpfen

Fehlt noch die Lackierung. In der hat Chiko’s Pinstriping die Farben Schwarz und Orange um einen Goldton ergänzt, der die Formen des Bikes noch besser in den Fokus setzt. Chopperstyle will never die!

Info
www.thunderbike.de
www.h-d.com/customkings