Eine klassische, noch unverbastelte Harley in gutem Zustand zu finden ist auch in Amerika nicht leicht. Diese Ironhead Sportster war vor ihrer Restauration allerdings kaum mehr als ein verwittertes Gerippe …

Exzellente Originale zu finden ist überall schwer. Entweder sind die Bikes erbärmlich heruntergeritten und können nur mit hohem finanziellen Aufwand wieder in altem Glanz erstrahlen, oder ihre Besitzer wollen sie mit ins Grab nehmen. So brauchen Interessenten viel Zeit und noch mehr Glück, um ihren Traum zu erfüllen. Jim Millen hatte beides.

Unbeliebable: Ironhead Sportster für einen Dollar

Seit Mitte der 80er Jahre ist Jim Millen als Außendienstmitarbeiter eines Reifengroßhändlers tätig. Seine Dienstreisen führen ihn regelmäßig zu großen und kleinen Autohändlern, Werkstätten und Custom-Shops. So besuchte er auch immer wieder Tom und Huey, die einen kleinen Laden mit Werkstatt betrieben.

Nix für Speedfreaks: So ’ne olle Ironhead will gemütlich bewegt werden. Weder der V2-Motor, noch das Fahrwerk und schon gar nicht die Bremsen mögen die hurtige Gangart

Bei jedem Besuch sah er dort ein Bike vor der Tür stehen. Das bestand eigentlich nur aus einem Rahmen mit Motor, zwei Rädern und Lenker. Jim fragte nach, was es mit diesem Gefährt auf sich habe. Er erfuhr, dass Huey die Ironhead Sportster von seinem Stiefvater für einen Dollar gekauft hatte. Irgendwann wollte er es restaurieren. Daher lehnte er auch ein Kaufangebot von Jim ab.

Auch für 700 Dollar war die Ironhead Sportster ein Schnapper

An Hueys Haltung änderte sich über vie­le Jahre nichts. Immer wieder erklärte der Schrauber dem hartnäckig nachfragenden Jim: „Eines Tages werde ich mich schon an die Restauration machen.“ Solange rollte er den traurigen Rest morgens aus der Werkstatt und und schob ihn abends wieder hinein. Am bemittleidenswerten Zustand des Bike-Gerippes änderte sich aber nie etwas.

Alle verbauten Parts stammen aus dem originalen Baujahr des Bikes

Bis eines Tages, Jim brachte mal wieder Reifen vorbei, Tom zu ihm sagte: „Ich glaube, Huey wird dir das alte Bike nun doch verkaufen.“ Jim fragte, wie viel Geld er Huey dafür bieten solle. „700 Dollar“, war die Antwort. Der Reifenverkäufer hatte keine Ahnung, ob es sich dabei um einen angemessenen Preis handelte, aber es erschien ihm kein großes Risiko, das Geld für eine Harley hinzulegen. So ging er sofort zu Huey und bot ihm die Summe an. Der akzeptierte und der Handel war perfekt. Wahrscheinlich war es Huey inzwischen klar geworden, dass er es wohl nie schaffen würde, die Sporty wieder in altem Glanz erstehen zu lassen.

Die Mitgift erleichterte die Restauration erheblich

Jim veranlasste die sofortige Abholung des Bikes. Sein langjähriger Freund Bill „Biker“ Bush sollte bei der Restauration helfen. Nachdem die Sportster im Transporter verschwunden war, und das Geld den Besitzer gewechselt hatte, rief Huey: „Halt, ich hab da noch was.“ Er kletterte auf den Verschlag, in dem er sein Büro hatte, und förderte noch Tank, Sitz, die Fender und sogar Satteltaschen zu Tage. Alles war noch in sehr gutem Zustand. Nun hatte sich der Kauf erst recht gelohnt. Diese Mitgift erleichterte die Restauration erheblich. Dennoch lag noch einige Arbeit vor Jim und Bill, bevor die Sportster im hier präsentierten Zustand wieder auf die Straße kam.

Die 3-D-Embleme sitzen fast waagerecht oben auf dem „Turtle“-Tank

Auf seine Anfrage hin erhielt Jim vom Harley-Davidson Archives Department Kopien der 1962er Teilekataloge. Die meisten mitgelieferten Parts am Bike waren Originalteile. Die brauchten nur eine Aufarbeitung. Doch das Frontend hatte bei einem Crash gelitten und musste ersetzt werden.

Stück für Stück zurück in den Auslieferungszustand

Mit Hilfe der Kataloge konnte Jim die fehlenden Teile identifizieren und so das Bike in seinen Originalzustand versetzen. Da es die fehlenden Parts natürlich nicht mehr einfach so zu kaufen gab, begann eine langwierige Suche in Internetshops und auf Swapmeets. Auch der als „Sportster Guy“ bekannte Rick Newman, ein weiterer Freund von Jim, konnte mit einigen raren Teilen helfen.

1962 original Sportster

Beim Aufbau wurde Jim neben Bill auch von seinem Sohn Skyler und dem örtlichen H-D-Dealer mit Rat und Tat unterstützt. So versetzte er die Sportster Stück für Stück in ihren Auslieferungszustand zurück. Mit seiner neuwertigen XLH fährt Jim rund 1000 Meilen pro Jahr. Er stellt sie gern bei Oldtimertreffen aus und sucht dort weiter nach originalen Teilen für den Fall, dass mal etwas getauscht werden müsste. Die Jagd ist nie zu Ende, aber es hat sich für den stolzen Besitzer schon jetzt gelohnt, niemals aufzugeben.