Die Mission war klar definiert: die Teile und Baugruppen an dieser Indian Scout sollten auch an alle anderen passen. Die langgestreckte „Apache One“ weckte einige Begehrlichkeiten.
Die Idee für das Projekt entstand auf der CUSTOMBIKE-Show in Bad Salzuflen. Auf der einen Seite war da Michael Naumann, seines Zeichens Customizer und AMD-Vizeweltmeister im Custombike-Building, auf der anderen Seite Peter Schulz, altgedienter Motorradjournalist. Beim gemeinsamen Rundgang über die Messe gelang es den beiden, verschiedene Teilezulieferer für die Idee zu begeistern.
Beispielsweise Rick’s Motorcycles, die einen kompletten Radsatz im Y-Spoke-Design zur Verfügung zu stellten. Die passenden Pneus, vorne 19, hinten 18 Zoll, steuerte Avon dazu. Den nächsten Stopp machten die beiden am Stand von LSL, wo man emeinsam an der Idee feilte, eine zurückverlegte Rastenanlage für die Scout zu entwickeln. Wer sportlich unterwegs sein will, kommt mit den werkseitig Vorverlegten nicht besonders flott ums Eck. Ein Satz verstellbare Stummellenker gehörten damals ebenso zur Lieferung.
Indian Scout mit NHPower-Trockenkupplung
Nun sieht der kleine Indianer bereits deutlich sportlicher aus, aber die Fahrdynamik, vor allem die Hinterradfederung der Serie, dürfte einem flotteren Fahrstil eher weniger entsprechen. Am Stand von Wilbers wurde man dann fündig. Die Fahrwerksspezialisten stimmten neue Komponenten auf die angestrebten Bedürfnisse ab. Auch ein individuelles Leistungstuning ist eigentlich kein Problem, nur stößt der Antrieb schnell an die Belastungsgrenze. NHPower-Chef Swen Naber ließ es sich deshalb nicht nehmen, eine Trockenkupplung für die Scout zu entwickeln, deren Prototyp an der Apache One verbaut ist.
Michael Naumann ist selbst ist ein Meister der ästhetischen Blechverformung. Da liegt es auf der Hand, dass diesen Teilen auch ganz besondere Aufmerksamkeit geschenkt wurde. Wer jemals unter den Tank einer Serien-Scout geblickt hat, der weiß, wovon wir hier reden. Ein neues Reservoire dengelt auch ein erfahrener Blechner nicht mal eben aus der Platte. Der Luftfilter und die Gehäuse elektronischer Bauteile müssen als Negativform exakt in den Tank-Unterboden eingepasst werden. Vor allem hierbei ging es darum, jeden Millimeter auszunutzen, um das mögliche Volumen besser auszuschöpfen und somit die Reichweite zu steigern. Dagegen war die von Michael eigens gefertigte Heckabdeckung ein wahres Kinderspiel.
Lang, tief, rassig, handlich
Doch wie fährt das nun? Wir hatten die Gelegenheit, das Motorrad in den Bergen Andalusiens auszuprobieren. Der erste Eindruck: Boah ey, verdammt langgestreckt. Der zweite Eindruck: Die Lenkerstummel sind ziemlich tief angeschellt. Dritter Eindruck: Verflixt, wo sind bloß die Fußrasten? An dieser Stelle sei angemerkt, dass der Testfahrer und Autor dieser Zeilen ein 100 Kilo-Brocken und über 1,90 Meter groß ist. Jockeys sehen anders aus. Aber irgendwann hat’s gepasst und es ging röhrend los, der ambitioniert laute Auspuff ließ keine Sekunde Zweifel an der V-Zweizylindrigkeit der Scout aufkommen.
Schon auf den ersten Metern fiel auf, wie unglaublich handlich sich die Naumann-Scout gibt. Das Bike lenkt fast von selbst ein, ohne jedoch überhandlich oder gar nervös zu wirken. Kurve sehen, Kurve denken, Kurve fahren – ein einziger Vorgang. Die Entscheidung, auf deutlich größere Raddurchmesser umzubauen, erweist sich als goldrichtig. Und auch die gemäßigten Reifenbreiten wirken sich positiv aufs Handling aus.
Aus dem Fahrwerk der Indian Scout ist noch was rauszuholen
Von den Bremsen, vorn und hinten Brembo-Zangen an Rick’s-Scheiben, darf sich Hersteller Indian ruhig zwei Scheiben für die Serie abschneiden. Nicht ganz so gelungen abgestimmt fanden wir die Suspensionsseite. Sowohl die Gabel als auch die Federbeine muteten reichlich straff an. Aber wir wissen: Da ist mit etwas Feintuning noch deutlich mehr rauszuholen, denn dass Wilbers hervorragende Federungselemente bauen kann, ist branchenweit ein alter Hut.
Info | indianmotorcycle.de