Unter dem Label „Freestyle Custom“ entstand diese abgefahrene Harley-Davidson UL 1200. Hier war der Name Programm!
Erik Pogorzelec stammt aus dem polnischen Marienburg nahe Danzig, „ein raues Land, flach und windig, in dem die Winter lang und kalt und die Sommer kurz und heiß sind“, beschreibt er seine Heimat. Bereits im zarten Alter von sechs Jahren frickelte er sich aus zig Fahrrad- und Mopedteilen ein Cross-Fahrrad zusammen.
„Ich bin nicht verrückt, und wenn doch, dann bin ich nicht allein!“
Als sein Vater ihm auf die Schliche kam, gab’s nicht etwa Lob, „als Zeichen der Anerkennung meines künstlerischen Geistes habe ich von meinen Eltern zwei Wochen Hausarrest und Werkstattverbot bekommen“, erzählt der gebürtige Pole. Ein Jahr später hat er ein anderes Fahrrad gebaut, mit Telegabel, zwei Federbeinen hinten und Sechsgangschaltung. Damit erregte er in seiner Umgebung solches Aufsehen, dass ein Interessent es sogar gegen eine Honda Monkey eintauschte.

Damit war Erik bereits im zarten Kindesalter bei den motorisierten Zweirädern angekommen. Viele Jahre später verschlug ihn die Liebe schließlich in Deutschlands Westen, in die hessische Metropole Frankfurt. Dort entdeckte er die Supermoto-Szene für sich und schraubte fortan wie besessen an solchen Motorrädern. Eines Tages erfuhr er von der CUSTOMBIKE-Show. „Durch den Besuch dort in Bad Salzuflen hatte ich endlich eine Antwort auf die Frage, die mich beschäftigte. Ich bekam Gewissheit: Ich bin nicht verrückt, und wenn doch, dann bin ich nicht allein!“
Katalogteile kommen nicht in Frage …
Ein paar Jahre später rückte er mit einem Custombike in Bad Salzuflen an und gewann prompt die Wertung „Best Streetfigther“. Auf der „Erlebnis Motorrad“ in Mannheim holte er sich im darauffolgenden Jahr den Preis für den „Best Cafe Racer“. Seine gestalterischen Ideen holt sich Erik aus allen Bereichen des Lebens wie etwa Pariser Mode, Uhren, Jachten, Schiffe, Militärtechnik, Mittelalter und etlichem mehr.

Seine Motorräder sind aufwändig von Hand gefertigt, bei den Materialien greift er gerne auf Leder, Kupfer, Aluminium, Edelstahl, Edelhölzer und Edelmetall zurück. Katalogteile kommen für den kreativen Handwerker nicht in Frage, sämtliche Aufbauten wie Tank, Verkleidung, Lenker und Sitz entstehen in Handarbeit. Zum Projekt Flathead: Auf einer Veranstaltung des Männer-Magazins GQ in München lernte Erik einen Manager kennen, der sich als Harley-Fan outete.
Eine total originale Harley-Davidson UL 1200
Schon zwei Wochen später rief dieser in Frankfurt an, ob Erik ihm als sachverständiger Kenner beim Ankauf einer Harley-Davidson UL 1200 behilflich sein könnte. Es kam schließlich zum Abschluss, die total originale 1947er UL wechselte den Besitzer und stellte die Basis für das hier präsentierte Custombike. Sobald die Maschine bei Erik im Atelier war, begann er, Schablonen zu schneiden und diese anzuhalten. „Das war für mich wie Ostern, Pfingsten und Weihnachten an einem Tag, so sehr habe ich mich über das Projekt gefreut.“

Die Aufgabe war, aus einem Aschenputtel eine Prinzessin zu bauen. Die Grundideen kreisten um eine Mischung aus Board-Track-Stil aus der Frühzeit des 19. Jahrhunderts und seinen eigenen. Technisch wurde der Motor generalüberholt. Zylinder, Kolben und Ventile wurden erneuert, im Zuge dessen wurde der Hubraum auf 1340 ccm aufgestockt. Die Kurbelwelle und die Pleuel wurden technisch verbessert.
Harley-Davidson UL 1200 mit 21-Zoll-Rädern
Zusätzlich wurde der Ölkreislauf optimiert. Die Zündung stammt von einer 1955er Panhead. Ein Vergaser mit Beschleunigerpumpe bringt mehr Dampf in den Kessel, ein dezent versteckter Ölkühler sorgt für Standfestigkeit. Den Rahmen hat Erik nicht angerührt. „Der ist einfach absolut perfekt“, schwärmt der Metallartist. Die Räder wurden von 16 auf 21 Zoll vergrößert. Das bringt mehr Bodenfreiheit und passt auch ergonomisch besser zum 1,90 m großen Besitzer.

Der Tank wie auch die Fender und die Sitzschale sind aus Aluminium gedengelt. Der Tank selbst besteht aus zwei Kammern. Die linke Dreiviertelkammer ist für Benzin da, die rechte Einviertelkammer dient als Trockensumpföltank. Das Schmiersystem ist so konzipiert, dass das Öl aus dem Tank raus in den Motor und von dort aus dem Motor durch lange Kupferrohre durch den Kühler gepresst wird. Abgekühlt kommt es dann wieder in den Öltank zurück. Dieses System ist aufgebaut wie das des Jagdflugzeugs P51 Mustang.
Das Schalten übernimmt die rechte Hand per Jockeyshift
Um Stabilität zu gewährleisten, besteht die Sitzschale aus Kammern; außerdem lässt sich so eine bessere Ergonomie für den Kunden darstellen. Das hintere asymmetrische Schutzblech ist dem Schwungrotor einer Automatikuhr nachempfunden. Die linksseitige Fußkupplung und Handschaltung mussten weichen, jetzt wird konventionell links mit dem Handhebel am Lenker gekuppelt, das Schalten übernimmt die rechte Hand per Jockeyshift. Der Fender vorne und der Scheinwerfer bilden eine Linienerweiterung des Designs.

Den Lack brachte schließlich ein Profi auf. Bei der Premierenpräsentation foppte Erik den Kunden erst einmal ordentlich. Er ließ ihn zunächst feierlich eine völlig andere, ziemlich schofelige Flattie enthüllen, was spontanes ungläubiges Entsetzen auslöste. Doch dann holte er die richtige Maschine aus ihrem Versteck und die Begeisterung kannte keine Grenzen.