Der legendäre „Lucifer’s Hammer“ diente als Inspiration für diesen knackigen Cafe-Racer-Umbau einer Harley-Davidson Sportster.
Frühjahr 1983. Auf dem Daytona International Speedway wird die „Battle of the Twins“ ausgetragen. Ein als Dirt-Track-Rennfahrer bekanntgewordener Fahrer aus Michigan mischt das Fahrerfeld auf. Er ist sichtlich auch auf dem Asphalt keine Schnecke. Sein Name: Jay Springsteen. Sein Motorrad? Ein Harley-Davidson-Hybride!
Jay Springsteen lehrt die Konkurrenz das Fürchten
Teilweise aus Teilen aufgebaut, die aus dem seit Jahren Staub ansetzenden Lager des H-D Road Racing Teams stammen; ergänzt mit den feinsten Bremsen und Stoßdämpfern. Der Motor? Ein 1000-ccm-V-Twin. Zweifellos auf einem Sportster-Kurbelgehäuse basierend, aber sichtlich mit Köpfen der Dirt-Track-Maschine XR 750 aufgebaut. Jay lehrt die Konkurrenz das Fürchten, am Ende hat er sie alle niedergekämpft!

Über ein Jahrzehnt hatte Harley-Davidson mit finanziellen Problemen gekämpft – es war kein Geld da für ein offizielles H-D Road Racing Team. Aber jetzt war Schwarz-Orange zurück. Mit einem Renner, der quasi als Low-Budget-Projekt verwirklicht wurde. Klar, dieses Bike brauchte einen Namen: „Luzifer’s Hammer“ passt! So denkt die Presse, so denken die Fans.
Harley-Davidson Sportster als Dirt-Track-Legende
Für die nächste Rennsaison gab die Company das Projekt in die Hände des Top-Tuners Don Tilley. Eine weise Entscheidung: Gene Church, ein aus South Carolina stammender Fahrer, ebenfalls ein ehemaliger Dirt Track Racer, stampft die europäischen und japanischen Rennmaschinen auf Luzifer’s Hammer noch drei weitere Jahre in Grund und Boden. Der Teufelshammer wird zur Legende.

Spulen wir vor ins Jahr 2012: Stephan Simon ist aus den USA zurück. Er hat neben anderen Harleys auch eine Eisenkopf-Sportster eingekauft: Baujahr 1976, mit Telegabel, Baby-Ape, einer 08/15 Bolt-on-Sissybar aus Vierkantmaterial – mit üppigem Rückenpolster, einer schwülstig aufgeplusterten, zweiteiligen Sitzgarnitur von einem neueren Modell, dämpferlose „Dragpipe“-Auspuffrohre und S&S-Luftfilter.
„Die kriegen wir so nicht wieder los“
Das Bike steht wie Blei im Verkaufsraum. „Die kriegen wir so nicht wieder los“, war die einhellige Meinung bei der Simons-Custom-Mannschaft. Die klassischen Sportster-Modelle mit Gusseisenzylindern und -köpfen erleben zwar schon seit einigen Jahren ein Revival, aber … „Nein, sie hat keine lange Springergabel und auch keinen Starrrahmen!“ Armin, der den Verkauf leitet, ist es leid.

Er legt den Telefonhörer auf und erklärt uns: „Die wollen die alten Harleys entweder top restauriert oder als knorrige Chopper, die aussehen, als ob sie in der Hippie-Ära gebaut worden sind!“ Irgendeiner – war es nicht Stephan, der privat eine sportlich aufgebaute FXR mit zwei vorderen Köpfen fährt? – bringt die sportive Historie von Harley-Davidson ins Gespräch.
Harley-Davidson Sportster als Drag-Queen
Bezeichnungen wie die „Wrecking Crew“ werden eingestreut, die siegreichen seitengesteuerten „WR“- und „WRTT“-Modelle erwähnt. Oder „Joe Petrali“, der mit einer Siegesserie von 1931 bis 1936 den Namen Harley-Davidson immer wieder auf das Siegerpodest hievte? 1937 setzte er seinem Lebenswerk die Krone auf und fuhr am Daytona Beach einen neuen Hochgeschwindigkeitsrekord auf einer 1000 Kubikzentimeter Knucklehead.

Als 1957 die Sportster kam, war sie – wie der Name schon aussagt – für die leistungsorientierte Harley-Klienten gedacht. Ein Lieblingsspielzeug derjenigen Dragster-Piloten, die nichts von britischen Bikes wissen wollten. Ein rollender Prüfstand für alle möglichen Arten der Leistungssteigerung. Mitte der 70er Jahre war die Sportster zur Drag Queen des Customizings geworden.
Leicht verspielt bis tuntig aufgeputschte Digger
„Digger“ konnten ihre Drag-Racing-Wurzeln nicht verleugnen, waren allerdings optisch von leicht verspielt bis tuntig aufgeputscht: Chrom, Gold und Gravuren … und die Sportster fiel langsam aus der Wunschliste der Drag Racer und Customizer. Größer, stärker, massiger, kurz: noch mehr Hubraum war erwünscht. Die Big Twins von Harley-Davidson nahmen ihre Stelle ein. Und dann, als niemand mehr damit rechnete, tauchte Luzifer’s Hammer auf: Die Sportster, die der ganzen Welt bewies, wo der Hammer hängt.

„Lasst uns doch mal so etwas bauen!“, heißt es bei Simon’s Custom. Die Idee zündet; sie kriegt den Zuschlag! In der Planungsphase wird spezifiziert. Die SWC-Mannen favorisieren poliertes Aluminium. Keine verschachtelte Technik. Dafür soll es optische Gewichtslosigkeit geben. Vielleicht im Stil der Cafe Racer?
Im Höcker sitzt der Öltank der Trockensumpfschmierung
Für Stephan Simon und sein Team war jedenfalls klar: Das muss ein „Hammer“-mäßiger Umbau werden. Zerlegen, sezieren, analysieren, reparieren, glasperlstrahlen, polieren, bestellen, warten … Währenddessen wird ein Hilfsrahmen für den Sitz gebaut, der Tank entworfen, die Sitzbank konstruiert. Ja, konstruiert, im Höcker soll nämlich der Öltank der Trockensumpfschmierung sitzen! Ein Fachbetrieb übernimmt die Blecharbeiten.

Der Rahmen wird pulverbeschichtet, Änderungen verbieten sich, diese Sportster hat „Matching Numbers“. Da bleibt die Flex besser in der Schublade. Ein Rückbau der Maschine in den Originalzustand soll jederzeit möglich sein. Keine Schraube bleibt unangetastet. Würde das Motorrad in den Serienzustand versetzt, spräche man von einer Vollrestaurierung. Das bescheinigt dann letztendlich auch ein Sachverständigen-Gutachten: „Perfekter Zustand“ steht in der 14-seitigen Expertise.
Info | simonscustom.de