Garagen-Geburt: Jeremy DiStefano hat seine Harley-Davidson Sportster 883 Hugger in einen astreinen Cafe-Racer verwandelt.

Nicht alles, was aus Frankreich kommt, ist Baguette – aber dieser Cafe Racer ist mindestens genauso windschnittig wie die Weißbrotstange von jenseits des Rheins und – was die Maschine noch interessanter macht – „selbst gebacken!“ In einer heimischen Werkstatt entstand mit relativ bescheidenen Mitteln ein Cafe Racer vom Feinsten, der, als er fertig war, auch mal durch die Pyrenäen gescheucht wurde – auf der französischen wie auf der spanischen Seite. Einige Teile an diesem Bike wird man vergeblich in Zubehörkatalogen suchen, denn Jeremy DiStefano entwarf und baute vieles selbst. Was eigentlich erstaunlich ist, denn zu diesem Zeitpunkt war Jeremy der nationale Verkaufsrepräsentant für Custom Chrome Europe in Frankreich. Für einen „Bolt On“-Umbau hätte er nur den firmeneigenen Katalog aufschlagen müssen.

Basis ist eine Harley-Davidson Sportster 883 Hugger

Mit einem Cafe Racer von Frankreich nach Spanien über die Pyrenäen zu rutschen, klingt nach einer machbaren Aufgabe (mit viel Fahrspaß noch dazu!), wird aber schon etwas anspruchsvoller, wenn man in Toulouse Anlauf nimmt. „Entkrampft“ wird die sportliche Fahrposition von Jeremys XL durch den nur neun Liter fassenden Cole-Foster-Tank, der etwa alle hundert Kilometer einen Tankstopp zwingend notwendig macht. Nachteil der gelungenen Tankwahl: Es erwies sich als schwierig, die passenden Teile für Lenkerverkleidung und Heckteil zu finden, um jene schlüssige Linie zu erhalten, die Jeremy in seinen Gedanken vorschwebte. Die Lösung: Eigenbau.

Die Pinstripes teilen die Oberfläche des Spritfasses neu ein

Irgendwo fand er die Höckerfragmente eines „Moto Morini“-Mofas. Wer die französische Mofa-Tuning-Szene kennt, weiß, was da abgeht. Jeremy zauberte daraus die lederbeschlagene Edelsitzbank. Gerade neu und angesagt waren die „Oldschool“-Teile von Crime Scene Choppers, also rotzfrech das Rücklicht auf das Heck genagelt. Blinker sind in Frankreich so was von überflüssig – umso überflüssiger, je weiter man aus der Stadt herauskommt.

Noch viel Serie bei der Harley-Davidson Sportster 883

Auch die lenkerfeste Lampenmaske stammt von einem Mofa, in diesem Fall von einer „Flandria“, einer mittlerweile vergessenen belgischen Auto- und Motorradmarke, deren glorreiche Geschichte von 1894 bis 1981 andauerte. Und wer’s genau wissen will, sollte „Flandria Rekord 1967“ googeln, das war für die damalige Zeit ein total rattenscharfes Moped! Überraschend viel „Serie“ ist dem Bike erhalten geblieben, wenn auch oft in modifizierter oder zumindest farblich angepasster Version: Was man mit Lack und Pinstriping so alles machen kann! Mit ein paar Linien wirkt selbst die „Kuhglocke“ (Abdeckung der Zündspulen) exotisch und anders.

Harley-Davidson Sportster 883 Hugger: Luftfilter von Crime Scene Choppers

Die verbaute Supertrapp-Anlage war gebraucht, das schadet aber nicht, denn dieses Bike ist eh ein „daily driver“. Das Lackkleid ist übrigens auch absichtlich im „used look“ gehalten. Damit sieht man dem Bike seine vielen abgerissenen Kilometer nicht an. Andere Komponenten stammen aus dem Katalog von Custom Chrome Europe, wo Jeremy DiStefano noch immer seiner Leidenschaft für individuelle Custombikes frönt: Inzwischen arbeitet er im CCE-Hauptquartier in Grolsheim und ist im Einkauf tätig. Reisen nach Japan und auf die angesagtesten europäischen Oldschool-Treffen haben seine Inspiration neu befeuert, der „Spirit of ’76“ ist noch immer lebendig.

Customizing is not a crime!

In seiner Garage sind inzwischen noch weitere Umbauten entstanden, manche davon sogar zulassungsfähig in Deutschland, wo er mittlerweile in der Nähe von Bad Kreuznach lebt. Doch versteckt im Keller steht auch noch eine alte „Ironhead“, die sich Stück für Stück in ein neues Projektbike verwandelt. „Obwohl ich jetzt schon so lange in Deutschland lebe, muss man sich an die vielen Vorschriften erst einmal gewöhnen“, meint Jeremy, „mein Langzeitprojekt hat nicht ohne Grund den Arbeitstitel „F**k for TÜV“. Das zeigt uns abschließend: Den „Spirit of 76“ hat man Jeremy noch nicht nehmen können.