Hätten Sie’s gedacht: Die Basis dieses Umbaus war eine Harley-Davidson Softail Rocker. Von der blieb aber außer dem Antrieb nicht viel übrig.
Besitzer Mario sprach bei der Firma Streetline vor mit dem Wunsch, aus der originalen H-D Rocker ein Custombike zu bauen. Der Umbau sollte nicht von der Stange sein. Mario schwebte etwas Einmaliges vor, was bedingt, dass so viele Teile wie möglich nicht etwa aus dem Katalog stammen, sondern speziell angefertigt werden sollten.
Softail Rocker vom Streetfighter-Spezialisten
Mit diesem Wunsch rannte er bei Streetline-Boss Norman Hermann offene Türen ein. Der hatte schon lange Bock, auch einmal eine Harley umzubauen, denn das Geschäftsfeld der Firma aus Mansfeld (Nähe Eisleben) war bis dahin der Bau von meist fulminaten Streetfightern, bestückt mit japanischen Motoren. Das Ziel war es, den Harley-Umbau bis zur CUSTOMBIKE-Show in Bad Salzuflen fertigzubekommen. Auftraggeber Mario gab grobe Vorgaben zu Optik und Fahrwerk.
Somit hatte Norman freie Hand und konnte seinen Ideen freien Lauf lassen. Vom Stil her war es dem Customizer wichtig, was Eigenes auf die Beine zustellen. Als erstes wurde die Softail Rocker komplett bis auf den Rahmen zerlegt. Kurzerhand entschied man sich dann gegen die Verwendung der übrigen originalen Anbauteile, nur der Rahmen selbst fand Verwendung. Neue Fahrwerkskomponenten mussten her.
Die Grenzen der örtlichen „Fräsbuden“
Die Macher entschieden sich, was Eigenes zu entwerfen. Die Schwinge, die Felgen und die Gabelbrücken plante man, in 3D fräsen zu lassen. Aber schon damit waren „die Fräsbuden in unserer Region“ (Originalton Norman Hermann) an ihre Grenzen gestoßen, andere wollten sich ihre Arbeit vergolden lassen. Also wurde das Outsourcing abgehakt.
Nach reichlichem Zögern und noch mehr Rechnen und Überlegen entschied Norman sich dazu, in eine eigene 3D-Fräsmaschine zu investieren. Gesagt, getan! Wie gut, dass Norman früher als CNC-Fräser gearbeitet hatte, so konnte er sich in die Bedienung seiner eigenen neuen Fräse leicht einarbeiten und recht schnell ging ihm das Handling der komplexen Maschine in Fleisch und Blut über.
Softail Rocker mit selbstentworfener Einarmschwinge
Nächtelang wurde programmiert, was das Zeug hielt, dann konnte man sich endlich der Produktion der anvisierten Teile widmen. Ausgangswerkstoff war hochfestes Aluminium. Als erstes Teil wurde die Schwinge aus dem Vollem gefräst. Darauf folgten dann die Felgen und Gabelbrücken. Nach wochenlanger Arbeit konnte man endlich was am Bike sehen, zumal Kunde Mario langsam ungeduldig wurde.
Jetzt ging es an den Tank und die Fender, die ebenfalls bei Streetline von Hand gefertigt wurden. Hierzu verwenden die Anhaltiner 1,5 Millimeter starkes Tafeltiefziehblech. Mit Flex, Blechschere und Dengelkissen ging es ans Werk. Norman legte einen leicht kantigen Look fest, dessen Formen andererseits aber trotzdem fließen sollten.
Seitenständer im Zahnarztbohrer-Style
Das Design findet sich auch an den Felgen wieder. Nach einer Vor-Ort-Besichtigung von Besitzer Mario, während der auch bei einer Sitzprobe die endgültige Lage von Sitz, Lenker und Fußrastenanlage festgelegt werden konnte. Auch die Rastenanlage entstand bei Streetline. Und weil die neue Fräsmaschine jetzt schon mal auf Betriebstemperatur war, wurde auch noch das Lampengehäuse aus dem Vollen geschnitzt.
Und weil Kunde Mario seine Brötchen als Zahnarzt verdient, verbaute man noch etwas an dem Bike, was den Beruf des Bike-Besitzers symbolisiert. Norman stattete – mit einer Digi-Knipse bewaffnet – der Praxis von Mario einen Besuch ab. Resultat: Der eigens angefertigte Seitenständer sieht genau aus wie einer von Marios Bohrern.
Das matte Schwarz erwies sich als echte Hürde
Der Lack sollte Schwarz matt und Schwarz glänzend werden, verziert mit silbernen Pinstripes. Doch das Schwarz matt erwies sich als echte Hürde. Zwei verschiedene Lackierer patzten nacheinander. „Die haben mir die Teile versaut und schlaflose Nächte bereitet“, grollt Norman heute noch. Der Zeitplan war dahin, das Bike kam im Rohbau mit zur CUSTOMBIKE-Messe.
Später fand Norman Hilfe bei der Lackiererei Helbig. Die komplette Restsülze wurde abgebeizt, danach neu lackiert. Nach dem Airbrush von Enrico Sperlich konnte der Klarlack aufgetragen werden, anschließend kamen die Pinstripes drauf. Das Endergebnis: Ein ganz eigenständiges Custombike. Ein Harley-Erstling vom Streetfighter-Mann Norman Hermann, der sich wahrlich sehen lassen kann.
Info | streetline-bikes.com