Seine Leidenschaft für motorisierte Zweiräder durchlebt Andreas Niemeier in einer Art Zeitraffer. Hier erzählt er uns, wie es zu seiner Harley-Davidson Softail „King Size“ kam.

Meine ersten Erfahrungen auf einem motorisierten Zweirad habe ich mit 15 Jahren auf einem Malaguti Chopper gemacht. Mit 16 Jahren fuhr ich dann eine Yamaha DT 80 LC. Mit 18 Jahren absolvierte und bestand ich zwar die Kombinationsprüfung Auto/Motorrad in der Theorie, für die praktische Prüfung war aber nur Geld fürs Auto da. Also musste der Motorradführerschein eben mal kurz warten, und zwar genau 20 Jahre lang.

Ein eigenes Motorrad musste her …

Nach dem Genuss von unzähligen Folgen der Doku-Soap „Orange County Choppers“ fasste ich einen Entschluss: Ich musste unbedingt meinen alten Fahrlehrer ausfindig machen! Den fand ich dann auch, das Problem war nur, dass er keine Fahrschulmotorräder mehr, sondern nur noch eine eigene private Harley hatte. Es wurde schnell klar: Ein eigenes Motorrad musste her.

Durch die recht großzölligen Räder wirkt die King Size (nomen est omen) erwachsener, was vom 1.93 m großen Besitzer explizit angestrebt wurde

Da ich in Berlin wohne, stattete ich unserem Hauptstadt-Händler Classic Bikes einen Besuch ab. Dort im Laden traf ich sofort auf den Inhaber Lothar Schmidt. Wir waren uns bis dahin nicht bekannt, ich erzählte ihm von meinen Führerscheinplänen und dass ich dafür eine Night Rod Special bräuchte.

Harley-Davidson Softail mit 23-Zoll-Vorderrad

Irgendwie stand ich plötzlich alleine im Laden, denn man muss wissen, Lothar verplempert seine Zeit nicht gerne mit Verrückten. Doch ich blieb hartnäckig und saß sechs Wochen später mit Jet-Helm, Jacke und Fahrschulweste auf meinem Bike, sehr zur Belustigung vieler Verkehrsteilnehmer. Nachdem aber auch diese Hürde genommen war, stand dem Harley-Virus, der mich heftig gepackt hatte, nichts mehr entgegen.

Die Anfertigung des kompletten Fenders inklusive Halterung verschlang eine Woche Arbeit

Die Night Rod Special wurde in der Folge dreimal umgebaut, doch gerade dadurch manifestierte sich in mir der Wunsch nach mehr. Ein komplett neues Bike sollte her. Ein Bike, das meiner Körpergröße von 1,93 m entsprechen sollte. Und wegen der Proportionen sollten es große Räder werden, 23 Zoll vorne und 20 Zoll hinten. Was Fertiges bot niemand an, also musste ich selbst bauen.

Allein im Heckfender steckt die Arbeit einer ganzen Woche

Das Bike sollte zu mir passen, exklusiv sein, denn wer hat schon ein braunes Motorrad mit den Anbauteilen in Gold und Silber? Schnell war das Bild von dem Wunschbike in meinem Kopf gezeichnet. Große Unterstützung beim Bauen fand ich bei Thomas Apelt. Er war schnell begeistert und aufgrund seines Fachwissens ein super Lehrer. Er beschaffte die ausgesuchten Teile für die Harley-Davidson Softail und erklärte deren Montage. Der 88-Kubikinch-Motor wurde mit einem Big-Bore-Kit von Kramer auf 103 Kubikinches vergrößert.

Zum Mitschwingen ein Muss: Der Fender muss an der Schwinge befestigt werden

Vieles wurde als Team produziert und montiert. Allein im Heckfender steckt die Arbeit einer ganzen Woche. Er sollte freitragend sein und dementsprechend war sein Aufbau. Um die Spacer der Radnaben herstellen zu können, wurde eigens eine Drehbank des Baujahres 1963 ersteigert. Irgendwann konnten die Räder zusammengesteckt werden, die 24-karätigen vergoldeten Speichennippel lieferte TTS. Hinten kam eine 280er-Pusche drauf, vorne ist’s ein 130er von Avon.

Harley-Davidson Softail mit RSD-Parts

Die Schwinge kam fertig lackiert von Rick’s, für die gebrauchte Gabel mit 48 mm Holmen aus Harleys Softail „Rocker“ bin ich jedoch bis nach Sachsen gefahren. Um noch mehr Länge in das Bike zu bekommen, habe ich eine Gabelbrücke mit vier Grad Reckung von Müller verbaut. Die Designerstücke wie Tank, Luftfilter und Sitz stammen von Roland Sands Design, der Sitz natürlich nachträglich eigens punziert und bezogen in Berlin.

Könige brauchen Kronen. Daher taucht dieses Motiv immer wieder am Bike auf. Gold macht sich in diesem Zusammenhang auch immer gut

Der Tankdeckel musste dem gewählten Thema „King Size“ entsprechen und da ein König eine Krone braucht, wurde eine solche sowohl auf dem Tank platziert und je zur Hälfte auf Zylinderverbindung und Gehäusedeckel. Der Lenker kam in Rohstahl von Kodlin, da er mit einem innenliegen­den Gaszug ausgestattet werden sollte. Schön war der Rohrdurchmesser, der sich aber leider nicht mit dem Zollmaß des Gasgriffmechanismus verstand.

Harley-Davidson Softail mit Gardemaß

So musste nach dem einseitigen Kürzen des Lenkers der Innendurchmesser vergrößert werden, was bedeutete: Es musste wieder Spezialwerkzeug her. Der teflonbeschichtete Seilzug kam aus einer gut sortierten Fahrradschmie­de. Für die Hydraulikzüge der Bremsen wurden aufwändig Führungen an den Lenker montiert und erst nach deren Erstmontage ging alles zum Verchromen. Die Beleuchtung wurde kurzerhand zusammen mit den Fußrasten bei Thunderbike geordert und am Bike vormontiert, letztere natürlich ergonomisch auf meine Erfordernisse angepasst.

Eine serienmäßig vorhandene Einbuchtung am Rahmen wurde mit Stahl verfüllt …

Der Berliner Tachohersteller Motogadget war für alle Instrumente wie Geschwindigkeit, Blinker, Ganganzeige zuständig. Schwieriger wurde es mit dem Öltank, der irgendwie überhaupt nicht passen wollte. Die Batterie und alle anderen elektrischen Komponenten wollen da ebenfalls Platz haben. Also wurde der Öltank kurzerhand aufgetrennt, verkleinert, wieder zugeschweißt.

Der Rahmen wurde pulverbeschichtet

Dann ging es ans Durchdenken des Lackdesigns. Der Rahmen wurde pulverbeschichtet. Diese Farbe sollte auch in den lackierten Anbauteilen wiederzufinden sein. Ein dunkles Braun sollte den Übergang zum Motor liefern und die Grundfarbe einen leichten Braunton bekommen. Da blieb dann nur noch Light Rose Wood, unterbrochen mit Gelb und alles in Matt lackiert.

… und dann verschliffen

Weitere Planungen sind schon im Gang. Im Winter werde ich noch meine 2009er Springer und meine Street Glide umbauen. Und all das nur, weil mich dieser Virus namens Harley-Davidson nicht mehr loslässt. Zumindest was diesen Aspekt seiner „Infizierung“ angeht, wünscht die Redaktion DREAM-MACHINES Andreas Niemeier KEINE gute Besserung.