Speed-Merchant-Urgestein Brawny baute für sich selbst eine fluffig leichte Harley-Davidson Fat Bob, mit der er aber – wenn es sein muss – auch weite Reisen unternehmen kann.
Wir schreiben das Jahr 2018. Bereits im Sommer dieses denkwürdigen Jahres hatte sich das laute Heulen und Zähneklappern, das angesichts der Abschaffung der Dyna-Familie aufgebrandet war, zu einem leisen Wimmern abgeschwächt. Nicht wenige der zunächst in ihrem tiefsten Inneren Getroffenen hatten wohl zu jenem Zeitpunkt bereits erkannt, dass die Company ihnen einen Gefallen getan hatte, indem sie die doppelt gummigelagerten „Dyna-Saurier“ in Rente geschickt hat, denn bei der Entwicklung der nachfolgenden Milwaukee-Eight-Softails hatten die Ingenieure ihre Hausaufgaben wirklich gut gemacht.
Aber für Speed-Merchant-Mann Brandon Holstein (sein Spitzname ist „Brawny“), war bei der Optik noch Luft nach oben. „Warum bloß haben die das Mono-Federbein so versteckt? Das ist gute Technik, die man zeigen sollte!“, so das Credo von Brawny. Dessen gestalterische Handschrift ist bekannt dafür, alles so offen und leicht wie möglich zu machen.
Aggressives Styling und ordentlich Schräglage
„Ich konnte die Softails vor dem offiziellen Launch probefahren und war sehr angetan von der um Welten verbesserten Dynamik. Gutes Handling, sehr ordentliche Schräglagenfreiheit, ein drehmomentstarker Motor. Diese neuen Softails haben wirklich nichts mehr gemein mit den Softails unserer Väter. Ich wusste sofort: So ein Ding muss ich mir vorknöpfen. Wir haben uns für die Fat Bob entschieden, weil sie zu dem Zeitpunkt das aggressivste Styling der neuen Softail-Baureihe hatte.“
Allerdings, zumindest in der „Light“-Version blieb von deren Originaloptik nicht allzu viel übrig. Völlig andere Räderdimensionen stecken nun in High-End-Radführungen. Vorne führen Upside-Down-Gabelbeine von Harley, die von kräftigen Gabelbrücken von Speed Merchant gehalten werden. Das nun 17 Zoll große Hinterrad wird von einer massiven Aluminium-Kastenschwinge geführt, die eigens für dieses Fahrzeug entwickelt wurde. Brawny behielt ganz bewusst das Monoshock-Prinzip in Cantilever-Manier bei, setzte aber das eigens gebaute Federbein von Gears Racing perfekt in Szene. Doch um dies tun zu können, war ein viel drastischerer Schritt als der Bau einer Schwinge nötig.
Harley-Davidson Fat Bob – Milwaukee-Eight mit Vergaser
Die ganze Elektronik, die man für eine Einspritzanlage benötigt, musste mitsamt des Bordcomputers aus Platzgründen, oder besser, wegen der Ästhetik, weichen. Ja, richtig gelesen, die hier gezeigte Fat Bob war die erste Milwaukee-Eight-Softail, die auf Vergaser umgerüstet wurde. Dafür wurde von Speed Merchant ein Ansaugstutzen entwickelt, der eine Mikuni-Flachschiebergemischfabrik mit einem 45 Millimeter großen Venturi-Rohr tragen kann. Inzwischen ist der Umbau des Milwaukee-Eight-Aggregats auf Vergaser reine Routine für die Jungs aus Signal Hill und wir können versichern, dass sich das Standgas durch den Umbau jetzt traumhaft niedrig einstellen lässt.
Alle Blechteile sind natürlich ebenfalls selbst gemacht. Der Clou an dem Bike ist allerdings folgender: Der neue Heckrahmen aus Rundrohren, der die Flat-Track-Sitzbank trägt, kann im Nu abmontiert werden. Brawny hatte bei der ganzen Entwicklung im Hinterkopf, dass das Bike bei Bedarf auch zum Verreisen taugen muss. Dazu wird der leichte Rohrheckrahmen abgeschraubt und durch den Serien-Heckrahmen samt der kräftigen originalen Guss-Struts ersetzt, auf den der Tüftler noch einen Gepäckträger mit kleiner Sissybar angeschraubt hat. Vorne kommt dann noch eine höhere Lampenmaske dran und fertig ist der Packesel.
Harley-Davidson Fat Bob – Brenner und Packesel in einem
So ausgestattet fuhr Brawny denn auch die 4000 Kilometer nach Sturgis, auf Achse, Ehrensache, und die gleiche Strecke auch wieder zurück. Das Bike hielt prächtig durch, der Umbau auf Vergaser erwies sich als vollauf gelungen, die Gemischfabrik machte sogar auf Gebirgspässen von bis zu 2400 Metern Höhe keine Probleme. Was beweist, dass sich mit Ideen und Sachverstand was bewegen lässt. Kommt ja richtig gut, wenn man für die Stadt einen geilen leichten Brenner hat, und wenn’s auf Reisen geht, genügend Platz fürs Gepäck hat.
Info | thespeedmerchant.net