Um die Jahrtausendwende … Alle wollen ausgereifte Motorräder fahren! Wirklich alle? Nein, ein Bewohner eines kleinen Dorfes kauft sich ohne Sinn und Verstand eine Starrrahmen-Harley. Der Mann heißt Olaf Naatz und erzählt hier die Entstehungsgeschichte seiner außergewöhnlichen Harley-Davidson Panhead.
Quasi wie die Jungfrau zum Kind kam ich an meine Maschine. Mit was ich es da zu tun hatte, welche Baureihe ich da erstanden hatte, erfuhr ich erst viel später durch das Studium diverser Fachmagazine und Bücher. Ich hatte bis dahin null komma null Ahnung von der Marke Harley-Davidson.
Harley-Davidson Panhead – Umbau in der Waschküche
Nach einem ersten Umbau bleibt das Teil viele Jahre lang optisch unangetastet, bis ich Fan des Japaners Shinya Kimura (Alter ego von Zero Engineering; Anm. d. Red.) wurde. Da ich stolzer Besitzer eines Hammers, einer Flex, eines Engländers und einer Rohrzange bin, entstand der zweite Umbauschritt zu Hause in der Waschküche mit allereinfachsten Mitteln.
Die Vorgaben waren: So viele Harley-Teile wie möglich (mindestens 30 Jahre alt), der Rest muss Eigenbau sein. Zudem sollte alles TÜV-konform und obendrein preisgünstig sein. Rost, Patina und Macken sind ausdrücklich erwünscht und blieben erhalten, um einen unperfekten, gammeligen Hinterhof-Look zu erzielen, der das wahre Alter der Maschine unterstreicht.
Harley-Davidson Panhead als Basis
Als Liebhaber von alten Rennmaschinen und Vintage-Dragstern musste ich natürlich die schmalsten Räder haben und überdies unbedingt tonnenweise unnütze Teile entfernen! Da ich auf Minimalismus setzte, ersteigerte ich den Tank einer alten JAP Speedway-Maschine, kaufte einen Fahrradsattel und schraubte heimlich die Schutzbleche vom Fahrrad meines Sprößlings ab. Da die Verwendung eines Fahrradsattels bei meinen Freunden auf komplettes Unverständnis stieß und sie mich wegen Verschandelung des Mopeds für geisteskrank hielten, wollte ich sie in ihrer Meinung bestärken.
Ich verpasste der Pan einen Stummellenker direkt über der unteren (!) Gabelbrücke. Die zugegebenermaßen recht unkomfortablen Starrrahmenfahrten mit dem Winzsattel und den Stummeln werden glücklicherweise durch den winzigen Speedway-Tank (2,5 Liter) auf zirka 40 Kilometer Länge begrenzt. Die schmale Gabel, die beim Kauf schon vorhanden war, musste ich nur noch kürzen.
Das Windshield entstand aus einer Schutzbrille
Auf eine Springer habe ich bewusst verzichtet, da die meisten alten Maschinen damit ausgestattet sind. Die Startnummerntafeln sind aus einem Alubehälter herausgesägt und dann auf einem Baumstamm mit einem Hammer zurechtgedengelt worden. Das Windshield entstand aus einer Schutzbrille.
Aus einem sogenannten Brötchenschießer (Schaufel) aus der Backstube meines Opas und dem Hitzeblech meines ersten Mopeds (MTX 80) entstand die zweizöllige Beltabdeckung, und auf die Kupplung passte ohne jedwede Änderung der Deckel einer Saftpresse. Die Lenkergriffe entstanden aus Fahrradlenkerband, Blumendraht und Kupferendstücken aus dem Baumarkt. Für die Spiegelhalterung kam ein Teil einer Messingkleiderstange zum Einsatz.
Das Bremspedal war mal der Griff eines alten Schieferhammers
Die Räder ließ ich von der Bike Farm umspeichen und fertigte mir aus Teilen einer alten Dieselpumpe, dem Bremsgestänge eines Holland-Fahrrades und eines KTM-Cross-Lenkerstückes eine Handschaltung. Für den Holzgriff habe ich Mutters Nudelholz auf Einhandbetrieb umgebaut. Das Bremspedal war mal der Griff eines alten Schieferhammers. Im Kickerpedal lebt ein weiteres Stück des Cross-Lenkers und ein Messing-Endstück eines Gartenschlauchs weiter.
Die Lederauflage hinter den Tanks habe ich aus einer Zimmermanns-Nageltasche gebastelt. Und weil TÜV und Polizei zufriedengestellt werden müssen, montierte ich den obligatorischen Rückstrahler brav mittig auf den Heckfender; er besteht aus einem Messing-Schlauchverbinder. Die Halterung ist wiederum ein Teil vom Holland-Rad. Das Rücklicht übrigens versteckt sich unterm Fender.
Deadline für die Harley-Davidson Panhead
Da ich nur sporadisch an der Maschine werkelte, musste eine Deadline her, um den Umbau doch endlich mal fertig zu stellen. Ich kam auf die Idee, beim Custombike-Wettbewerb mitzumachen. Bis Juli hatte man Zeit, Bilder dafür einzuschicken. Bis Juli! Genug Zeit, um es langsam angehen zu lassen … Drei Tage vor Einsendeschluss fällt mir der Wettbewerb wieder ein! Schnell eine Kamera besorgt, die Unvollendete durch Hilfe von Klebeband mit Tank und anderen Wichtigkeiten ausgestattet und flugs drei schlechte Fotos an die CUSTOMBIKE geschickt.
Eine Woche später ruft mich das CUSTOMBIKE-Team an und fragt, ob ich bei der Cologne Custom Championship mitmachen möchte. Zwanzig Maschinen sind in der Chopper-Klasse dafür auserwählt worden. Die „Best of Show“ geht zur WM nach Sturgis! Ich sage ab. Köln!? 300 Kilometer! Wie soll ich da hin kommen? Dann schickt mir die CUSTOMBIKE-Truppe eine Mail mit allen Einzelheiten. Ungewöhnlicherweise erkenne ich meine Dummheit und sage doch noch zu.
Die Suche nach einem günstigen Entchromer endet bei mir selbst
Jetzt habe ich noch vier Wochen, um das Gerät fertigzustellen. Ich rufe meinen guten Freund Jörg an, der sofort zusagt, mich zu unterstützen und auch gleich für eine Transportmöglichkeit sorgt. Außerdem baut er mir als Freundschaftsdienst (ich lüge ihn an, dass ich ihn nach Sturgis mitnähme, falls ich gewänne) den Öltank, dreht mir den Benzintankdeckel aus Rotguss und steht mir mit Rat und Tat zur Seite.
Als Entlüftung setze ich ein Fahrradventil in den Tankdeckel ein und als Befestigung desselbigen kommt mir nach langem Grübeln die „grandiose“ Idee mit der Schlauchschelle. Der Öltankverschluss wird nun im Keller meiner Mutter an einer Wasserleitung schmerzlich vermisst, und glücklicherweise zerbröselt mein altes Rennrad so zeitig, dass ich aus den Pedalen die Fußrasten bauen kann. Die Suche nach einem günstigen Entchromer endet bei mir selbst; für den Gebrauch von Flex, Schruppscheibe und mattem Klarlack wird nichts berechnet!
Der Maschine soll man ihr Alter ansehen
Auf den Öltank klebe ich noch eine echte Pril-Blume, weil die Mehrheit meiner Freunde das bescheuert findet und schreibe „At Wood Cycles“ drauf. Erstens, weil ich am Waldrand wohne und zweitens, als Anspielung auf Ed Wood, den schlechtesten Filmregisseur aller Zeiten. Ich denke, dass dies gut zu dem unperfekten Look passt. Da der Öltank ein geringes Fassungsvermögen hat, löte ich aus Kupferrohren einen Ölkühler, der auch als obere Beltabdeckung dient.
Außerdem bleibt ein Topfgriff, der aus Spaß als Sissybar dient, für Köln auf dem Moped und es wird auch nichts saubergemacht. Der Maschine soll man ihr Alter ansehen. Schließlich wird in Anbetracht der geringen Ausmaße der Maschine und in Bezug auf die Bezeichnungen „Street Bob“ bzw. „Fat Bob“ der schöne Name „Jim Bob“ auf den Tank gepinselt (bei den Waltons war der ja auch der Kleinste). Zum guten Schluss kam noch ein Teesieb auf den Ansaugtrichter, er dient als Abstandshalter für mein Knie.
Alles in allem hat der Umbau nur zirka 1.200 Euro gekostet
So ging es nach Köln, wo ich vom Chefredakteur der DREAM-MACHINES mit den Worten: „Wie krank muss man sein …“ empfangen wurde. Alles in allem hat der Umbau nur zirka 1.200 Euro gekostet. Und das Beste: Dank der frühen Erstzulassung ist alles TÜV-konform und entspricht den gesetzlichen Vorgaben.