Für Puristen wäre es eine Todsünde, an einem Custombike auch nur ein einziges Teil zu verbauen, das technisch nicht notwendig wäre. Stefan Bernhardsson, ein Lokomotivführer aus Schweden, dachte einst ähnlich und gewann mit seinen Umbauten viele Preise. Heute zeigt er uns eine detailverliebte Harley-Davidson Panhead, geschmückt mit Eisenbahnzubehör, das er im Laufe seiner Arbeitszeit gesammelt hat.
Das letzte Mal, als wir Stefan aus Östersund hoch im Norden Schwedens trafen, war im Jahre 1993. Damals hatte er auf der Norrtälje Custombike Show mit einer extrem cleanen Panhead die Zuschauerwahl der Harley Chopper gewonnen. Bereits zwei Jahre später folgte sein nächster Umbau, diesmal ein 1948er Bobber. Dann verschwand Stefan von der Bildfläche und war für beinahe zwei Jahrzehnte nicht mehr in der Custombike-Szene präsent. „Ich habe in dieser Zeit eine Horde Kinder groß gezogen, mehrere historische Motorräder und einen coolen alten Traktor restauriert.“
In den mehr als zwanzig Jahren seit unserem letzten Aufeinandertreffen hat sich Stefans Geschmack für Motorräder offenbar gewandelt. „Damals wollte ich meine Bikes so clean wie nur irgend möglich aufbauen. Ohne Schnickschnack, ohne Verzierungen. Aber heutzutage verfolge ich da einen anderen Ansatz“, sagt er mit einem verstohlenen Blick auf seine Panhead. Sie ist geschmückt mit zahlreichen Details, die meisten davon ohne jegliche Funktion. Und ironischerweise war es ausgerechnet sein vorheriger, nahezu steriler Bobber, der zu diesem Umbau führte.
Pokal gewonnen, Rahmen geschenkt!
Stefan klärt uns über die Zusammenhänge auf: „Es begann auf der jährlichen Elmia Show, wo ich mit einem Typen namens Mikael Edlund verabredet war. Er hatte mir auf Bestellung einen Motorradrahmen angefertigt und scherzte bei der Übergabe: „Wenn du damit die Show gewinnst, dann geht der nächste aufs Haus.“ Und er hielt Wort. Zwar sollte es am Ende drei Jahre dauern, aber Stefan baute abermals ein Siegermotorrad und fuhr nicht nur mit einem Pokal, sondern einem weiteren Rahmen im Gepäck zurück nach Östersund.
Seinen preisgekrönten Chopper sollte allerdings ein seltsames Schicksal ereilen. Als Stefan damit eine Party in Trondheim anfährt, lernt er dort ein heißes Mädel aus Oslo kennen. In den Wochen danach hält sie eifrig Kontakt zu ihm, ruft immer wieder an und fragt nach seinem Motorrad. Am Ende stellt sich heraus, sie möchte die Maschine kaufen. Das Mädel bleibt dabei so charmant und hartnäckig, dass Stefan schließlich klein beigibt. Das Letzte, was er danach je wieder hört – sowohl von der jungen Dame als auch von seinem Motorrad – ist, dass es wohl in irgendeinem Pub als Deko von der Decke hängt, in Tromsö, so ziemlich dem nördlichst gelegenen Kaff in ganz Norwegen.
„Ich wollte ein Motorrad, das definitiv niemand außer mir fährt!“
Stefan bleibt nur der zweite, geschenkte Rahmen. Vor einigen Jahren beginnt er auf dessen Basis ein Low-Budget-Bike zusammenzustecken aus all den Teilen, die bei ihm im Laufe der Zeit übrig geblieben sind. Er hat dabei einen typischen 70er-Jahre- Chopper vor Augen. „Aber zu der Zeit hat plötzlich jeder damit angefangen, genau solche Chopper zu bauen. Und meine Panhead wäre einfach nur eine von vielen geworden. Das ist nicht mein Ding. Ich wollte ein Motorrad, das definitiv niemand außer mir fährt!“
Um die gewünschte Optik zu erreichen, verzichtet er darauf, den Rahmen zu stretchen. Damit er trotzdem die um 18 Zoll verlängerte Gabel verbauen kann, bekommt die Maschine einen unglaublich flachen Lenkkopfwinkel von 57 Grad, den er zusätzlich mit um 5 Grad geneigten Gabelbrücken kombiniert. „Natürlich hat die Fahrwerksgeometrie jetzt viel zu viel Nachlauf. Die Kiste fährt sich unfassbar wackelig bei niedrigen Geschwindigkeiten! Aber darauf war ich gefasst. Ab 30 km/h geht’s und sie wird stabiler. Naja, zumindest ein bisschen …“
Antiker Look für die Harley-Davidson Panhead
Ein weiteres Ziel war es, der Panhead eine möglichst antike Optik zu verpassen. Bei dem Olivgrün des Lacks handelt es sich um einen originalen Harley-Davidson-Farbton aus den 1920er Jahren. Auch die nach unten gerichteten Lenkerenden, die in Verbindung mit der Tankschaltung das Handling zusätzlich erschweren, sind der alten Optik geschuldet. „Wenn ich wirklich damit fahren will, habe ich noch einen Z-Lenker, auf den ich regelmäßig umbaue.“
Ein glänzender Chrom- oder Edelstahlfender steht ebenfalls auf der Wunschliste, wird aber zu einem größeren Problem als ursprünglich gedacht. Nichts von dem, was Stefan findet, passt annähernd zum Radius des Reifens. Am Ende legt er einfach einen großen Spanngurt um das Hinterrad, klemmt das Schutzblech einer alten BSA dazwischen und legt es für mehrere Monate auf den Dachboden, bis das Metall schließlich seine Form beibehält.
Die Bedienung des Suicide Shifters ist eine echte Herausforderung
Den Auspuff fertigt er zunächst als 2-in-2-Anlage, die auf beiden Seiten des Reifens mit knappem Abstand parallel zum Boden verläuft. Mit dem Resultat ist er jedoch unzufrieden und richtet die Rohre stattdessen nach oben, was das gesamte Motorrad noch bizarrer wirken lässt. Der offensichtliche Einfluss der Hotrod-Szene zeigt sich in Details wie dem extra langen Schalthebel samt Knauf eines Volvo Amazon, der die Bedienung des Suicide Shifters zu einer echten Herausforderung werden lässt.
„Sind wir mal ehrlich. Sie taugt garantiert nicht als Stadtflitzer, aber mir ist das egal! Sie ist einfach cool und in meiner Garage steht genug fahrbares Zeug rum“, sagt Stefan, der ebenfalls eine Evo Super Glide besitzt, seinen zuverlässigen Bobber, fünf DBS-Sportmaschinen in verschiedenen Farben und diverse andere Spielzeuge. Außerdem hat er längst wieder damit begonnen, die Teile für sein nächstes Projekt zu sammeln. „Ich habe schon Rahmen und Getriebe und würde gerne einen weiteren Panhead-Motor kaufen. Aber die sind in den letzten Jahren so verdammt teuer geworden …