Egal, wie man zur Elektromobilität steht, die Harley-Davidson LiveWire ist ein total toll fahrendes Motorrad. Durch unsere Testfahrten kamen allerdings Zweifel an den Reichweitenangaben des Herstellers auf.
Sie ist schlank, sie ist hübsch, selbst Passanten, die mit Motorrädern nichts am Hut haben, blieben stehen und bewunderten sie: Ja, Harleys LiveWire ist optisch sehr gelungen. Und sie fährt auch astrein. Ich traue mich fast gar nicht, es preiszugeben, aber selten habe ich in den letzten zehn Jahren ein Motorrad unterm Hintern gehabt, das so viel Spaß vermittelt hat. Ich habe mich bei jeder Fahrt wie nach einem Bad im Jungbrunnen gefühlt, längst vergessen geglaubte pure Lust am Fahren brach sich sirrend seine Bahn.
Doch wo viel Licht ist, ist naturgemäß auch Schatten. Und somit sind wir angekommen bei der Reichweitendebatte und erlauben uns, etwas kleinlich zu werden. Harley orakelt etwas von 150 bis 220 Kilometer Reichweite, je nach Art des Gebrauchs, und je nachdem, wieviel Energie beim Fahren rekuperiert werden kann.
Harley-Davidson LiveWire – Astreines Fahrvergnügen
An dem Tag, an dem die Fotos auf diesen Seiten entstanden sind, sind wir eine Art Drittelmix aus Autobahn, Stadtverkehr und Landstraße gefahren. Also eigentlich genau das, was der Besitzer einer LiveWire im Alltag so abfordern könnte. Dabei ist uns aufgefallen, dass die Akkuladung nicht proportional zu der gefahrenen Strecke abnimmt. Als wir für die Fotofahrten losfuhren, waren die Akkus voll, das Motorrad war vorher über 16 Stunden lang an eine 220-Volt-Steckdose angedockt.
Die Restkapazitätsanzeige zeigte 100 Prozent, die Restreichweite wurde auf dem Display mit 165 Kilometern angegeben. Das Wetter war schön, nicht zu warm, nicht zu kalt, beste Voraussetzung für Akkumulatoren. Die Kollegen vom Magazin CUSTOMBIKE schnappten sich die LiveWire, um eigene Fotos zu machen.
Harley-Davidson LiveWire – Überproportionaler Abbau
Sie blieben aber in der Nähe des Verlags, und als sie zurückkamen, standen 11,8 Kilometer auf dem Tageskilometerzähler. Die Restkapazität betrug noch 90 Prozent, aber schon hier fiel auf, dass die Reichweite überproportional abgenommen hatte, denn mit den 90 Prozent bot das System nur noch 148 Kilometer an. 11,8 Kilometer wurden gefahren, aber 17 Kilometer wurden abgezogen.
Dann fuhren wir von DREAM-MACHINES los, als Fahrmodus hatten wir den Straßenmodus eingestellt. Zunächst ging es 12 Kilometer auf der Autobahn Richtung Heidelberg, danach mitten durch die Stadt und dann über Landsträßchen hinauf auf den Königstuhl. Genau 24,8 Kilometer lang war dieser Trip zur Foto-Location, doch komischerweise zog uns das System dafür glatte 49 Kilometer ab. Will sagen, nach 11,8 plus 24,8, also konkret 36,6 Kilometer an diesem Vormittag standen nur noch 99 Kilometer Restreichweite auf dem Display
Harley-Davidson LiveWire – Die Sache mit der Restreichweite
Doch auch bei dieser Unstimmigkeit blieb es nicht allein, es wurde noch seltsamer. Als die Fotoarbeiten beendet waren, ging es über Landstraßen zurück in den Verlag. Am Ende waren wir an diesem Tag insgesamt 64 Kilometer gefahren, es standen uns aber nur noch schlappe 24 Prozent Restkapazität oder 34 Kilometer Restreichweite zur Verfügung.
Der nächste Tag sollte endgültig Gewissheit bringen, denn wir hatten vor, die LiveWire bis zum allerletzten Kilowattstündchen leerzufahren. Irgendwann antriebslos auszurollen stand auf dem Plan. Doch dazu kam es leider nicht. Seltsamerweise meldete das System am Morgen nach annähernd 18 Stunden an der Steckdose zwar die 100 Prozent Kapazität, bot dafür aber nur 147 Kilometer Reichweite an. Nach 20 Kilometern Landstraße war die Restkapazität bereits auf 83 Prozent abgesunken, die Restreichweite wurde mit 118 Kilometern angegeben.
Wir wollten Gewissheit, doch es kam alles anders
Ein paar Kilometer später rappelte es im Karton, ein Zusammenstoß mit einem mir auf meiner Fahrspur entgegenkommenden Auto lädierte das Vorderrad der LiveWire und mein linkes Knie und linken Ellenboden. Das abrupte Ende der Testfahrt. Bleibt als Fazit festzuhalten, dass Harley-Davidson mit der LiveWire ein wirklich hübsches, astrein funktionierendes Elektro-Motorrad entwickelt hat, das in Sachen Fahrspaß seinesgleichen sucht. Einziges Manko ist – wie bei allen E-Fahrzeugen – die mangelnde Reichweite in Kombination mit unpräziser Reichweitenprognose. 100 Kilometer gehen immer, 150 sind es nur bei optimalen Bedingungen und gezähmter „Gashand“. Wer damit leben kann, wird nicht enttäuscht werden.
Übrigens: Nach der Ausgliederung der E-Sparte durch die Company sind jetzt die letzten LiveWires, auf deren Tank der Markenname Harley-Davidson prangt, in Deutschland zu haben – und sie warten auch noch mit etlichen Goodies auf. In ihrem Preis von 29.990,– Euro ist nämlich jeweils eines von fünf Add-On-Packages im Wert von bis zu 5.000,– Euro enthalten. Das ist ein Wort!
Die letzten LiveWires von Harley-Davidson gibt’s mit fetten Zugaben
Dazu zählen das Electric-Paket, das ein flottes Serial-1-E-Fahrrad als Zugabe enthält, das Finance-Paket mit sehr attraktiven Konditionen zur Finanzierung der LiveWire, das Riding-Position-and-Tire-Paket mit anderem Sitz und Lenker sowie anderen Reifen, das P&A-Partner-Package für eine weitere Harley des Kunden und das Sound-and-Styling-Paket. Letzteres bietet ein knackig kurzes Heck und stylische Miniblinker sowie als besonderes Feature ein Soundmodul, das die LiveWire auf Fahrerwunsch last- und drehzahlabhängig wie einen Verbrenner klingen lässt. Dafür stehen in der App zehn verschiedene Sounds zur Wahl.
Aber egal, auf welche Variante die Wahl fällt: Die LiveWire ist und bleibt ein exklusives Sammlerstück und das ersten Elektromotorrad eines Großserienherstellers. Harley gewährt vier Jahre Garantie auf die Maschine, fünf Jahre Garantie auf den Hauptakku sowie ein Jahr Mobilitätsgarantie. Wer zuschlagen will, sollte nicht zu lange warten, denn das Kontingent ist beschränkt und exklusiv bei der Harley-Factory Frankfurt sowie bei deren Schwesterbetrieben in Hannover, Wiesbaden und Wetzlar erhältlich.
Info | factorygroup.de
Ich liebe meine CVO Convertible und seine 110cui, und trotzdem ist das Teil geil und fährt sich Bombe. Die Rennleitung am Stadtring Rand, gerade ihren Blitzer aufbauend, ist vom Glauben abgefallen, als ich bei ca. 90km/h den Hahn aufgemacht habe und das Teil sich wie die Enterprise in 2sec. nach 130km/h bewegt hat, irre. Nur leider etwas teuer und noch nicht wirklich reisetauglich. Aber leider geil!