Manchmal trifft man jemand ganz Besonderes. Schön, fremdartig und doch seltsam bekannt – so wie diesen Harley-Davidson JD Board Track Racer. Für ein Wiedersehen musste die halbe Welt umrundet werden.
Der Ort: Indonesien. Die Insel: Java. Der Event: Jogjakarta Kustomfest. Da stand sie, inmitten hunderter Kleinhubraumhüpfern: Eine 1920er „JD Longtrack Racer“, custom made. Das erste Mal auf dem Indonesia Kustomfest war ich 2013 mit Roland Sands. Wir waren schwer beeindruckt von der Show und den kreativen Arbeiten an den ausgestellten Bikes. Zwar dominierten Kleinkubik-Motorräder die Customszene, etwa die beliebte Honda Cub, aber auch einige der großen Big-Twin-Motoren waren bereits zu sehen.
Die Menschen waren unglaublich freundlich, das Essen wunderbar, die Landschaft grandios, das Reisen günstig, und so beschloss ich, irgendwann wiederzukommen und mich mehr mit dem Land und seinen Bikebuildern auseinanderzusetzen. Seit diesem ersten Aufeinandertreffen habe ich Land, Leute und das „Jogjakarta Kustomfest“ mehrmals besucht, das letzte Mal zusammen mit Yanniv Evans, Chef des südkalifornischen Shops „Powerplant“.
Harley-Davidson JD – Liebe auf den ersten Blick
Eines der Hauptprobleme in Indonesien ist die Sprachbarriere. Selbst mit Englisch kommt man hier des Öfteren nicht weiter. Unglücklicherweise war das auch bei den Jungs der „Lowo Abang Art Crew“ der Fall, einer Clique von Motorradschraubern, die auf dem Showparkplatz gerade ihre unglaubliche 1920er JD Longtrack Racer zum Leben erweckten.
Mit Händen und Füßen versuchten wir, unsere Begeisterung auszudrücken, während der Besitzer, bekleidet mit einem fast schon prähistorischen Lederhelm und den landestypischen Flip-Flops, zur Freude weiterer Passanten einige Runden auf dem Parkplatz absolvierte. Dieser kleine JD Racer und sein Besitzer waren ganz klar einer unserer Favoriten auf der Show, aber wie es das Schicksal wollte, die Zeit lief uns davon und wir mussten abreisen, bevor wir Interview und Fotosession organisieren konnten.
Auf der Suche nach Balis geheimen Schätzen
Für mich jedoch stand fest, dass ich wiederkommen und den kleinen Racer aufspüren würde. Ein Jahr später war es dann so weit. Nach einigen Hinweisen der örtlichen Bikerszene konnte ich schließlich die Fährte meines kleinen Longtrackers aufnehmen. Die Spur führte nach Denpasar, der Inselhauptstadt von Bali. Selbst mit Adresse war das Auffinden der Werkstatt inmitten einer belebten Vorstadtsiedlung ein Albtraum.
Aber aufgeben kam so kurz vor dem Ziel nicht in Frage. Dann war es soweit: die Tore einer Hinterhofwerkstatt öffneten sich zu einem unglaublichen Durcheinander, offene Motoren und uralte Ersatzteile, so weit das Auge sah. Dazwischen immer wieder wunderschöne Stücke amerikanischer und europäischer Motorradgeschichte. Und der kleine JD Longtracker. Volltreffer!
Geld ist knapp, Handwerk günstig
Der Racer mit der Motornummer L20 war ein Scheunenfund, komplett zerlegt und total verrostet. Der Verkäufer hatte nicht die geringste Ahnung, was sich da in seinem Besitz befand, sein Verkaufspreis war so lächerlich niedrig, dass wir ihn hier besser verschweigen. Obwohl die Lowo-Crew bereits mehrere JD-Motoren restauriert hatte, brauchte es dennoch fast zwei Jahre, um dem Longtrack Racer nach seinem über 50-jährigen Dornröschenschlaf wieder Leben einzuhauchen.
Denn Geld ist knapp in Indonesien, Arbeitsstunden jedoch sind billig, und so wurde jedes Teil entweder von Hand aufgearbeitet oder gleich neu hergestellt, anstatt einfach Ersatzteile zu ordern. Form und Abmessungen des Starrrahmens sind original, lediglich einige Rahmenrohre mussten wieder in Form gebogen und neu geschweißt werden.
Harley-Davidson JD – Restauration anhand von Fotografien
Der Motor wurde komplett neu aufgebaut, sämtliche beschädigten Teile des Motors und des Getriebes wurden neu hergestellt, ebenso wie die fehlende Primärtriebabdeckung. Anhand historischer Fotografien wurden der Tank, die starre Gabel sowie die eckige Metallverkleidung nachgebaut, eine Reihe Nieten im Stil alter Kampfflugzeuge sorgt für einen individuellen Touch. Auch das hintere Schutzblech und der Hauptständer sind „made in Bali“.
Lediglich für die Drahtreifen musste eBay bemüht werden. Der wieder auferstandene Longtracker ist ein Stück Custom-Geschichte und präsentiert stolz eine indonesische Flagge auf dem Tank. Nach über tausend Stunden liebevoller Handarbeit auf der anderen Seite der Welt ist er wieder fahrbereit.