Customizer Udo Kohse wollte endlich mal ein Bike für sich selbst bauen. Das war vor 20 Jahren. Damals kaufte er sich den Motor einer 1200er Evolution Sportster und zeichnete den Rahmen. Bloß das Umsetzen, das hat sich leicht verzögert …

Die Grundidee zu dem Bike war: So schmal wie möglich, und so flach wie möglich; deshalb auch der Sportster-Motor. Der Lenkkopf sollte auf nahezu gleicher Höhe wie die Reifenoberkante sein. Um bei einem Lenkkopfwinkel von 48 Grad den Nachlauf richtig hinzubekommen, baute Udo eine Springergabel in drei Ebenen. So konnte er den zunächst großen Nachlauf wieder nahezu auf die originale Symmetrie reduzieren.

Die Tankhälften verschlangen 120 Stunden Blechnerarbeit

Nach dem Bau der Gabel entschied sich der Chef von Bike Project, das ganze Bike in Handarbeit zu bauen; zum einen, weil es Spaß macht, aber auch, um zu zeigen, was er drauf hat. Die Tafel Stahlblech ST37, 1,5 Millimeter dick, war schnell bestellt. Das Dengeln hat dann wesentlich länger gedauert. Allein die Tankhälften verschlangen 120 Stunden Blechnerarbeit. „Normalerweise fällt mir das Design meiner Bikes nicht schwer. Aber die V-Rocker hat mir etliche schlaflose Nächte beschert“, erzählt Udo.

Fußkupplung, Handschaltung und Eigenbau-Lenker. In den linken Drehgriff ist die Bedienung der vorderen Bremse integriert

„Jedes Teil sollte natürlich ganz besonders toll sein und weitestgehend organische Formen besitzen.“ So gediehen selbst Kleinigkeiten wie die Fußrastenhalter und Hebel zu zeitintensiven Nummern. Erst grob vorfräßen und dann mit der Hand schleifen. „Mit CNC-Maschinen wäre das wohl alles ein wenig einfacher, aber das wäre ja viel zu leicht gewesen“, so Udo.

Der Öltank-Gott küsst die Evolution Sportster

Nachdem die Tankhälften fertig waren, dachte der Südhesse das erste Mal über den Lack nach. Da die Tanks so viel Arbeit gemacht hatten und trotz der anspruchsvollen Form sehr glattflächig gelungen sind, entschied er, dass da kein Lack drauf darf. Die ganze Handarbeit würde unter dem Lack verschwinden … viel zu schade! Was aber bedeutete, dass auch die anderen Anbauteile das gleiche Finish erhalten mussten.

Ungewöhnlicher Platz für Tacho und Elektrikbox, aber dennoch im Sichtfeld des Fahrers

Durch die zwei Finnen auf den Tankhälften war das Design schon mal gegeben. So entstand die Lampe, der hintere Fender, der Lenker. Der Öltank war ein Fall für sich. Dafür hatte Udo ungefähr gefühlte 4512 Versionen im Kopf, er wurde fast wahnsinnig. „Doch dann hat der Öltank-Gott mein Flehen doch noch erhört und mir über Nacht DIE Eingebung gesandt“, grinst er.

Der Bremszylinder ist in die Gabel integriert

Danach flutschte alles wieder problemlos. Die Handschaltung und die direkte Kupplungsbetätigung (der wohl kürzeste Kupplungszug der Welt) standen schon von Anfang an fest, da Udo keine Handhebel wollte. So kam ihm auch die Idee mit der vorderen Bremse. Der Bremszylinder und der Flüssigkeitsbehälter sind in die Gabel integriert, betätigt wird durch den linken Drehgriff. Da die Gabel nun schon ein Multifunktionsteil geworden war, wurden dorthinein auch noch die Blinker integriert. Dank der LED-Technik sind Rücklicht und Blinker hinten in Minigehäusen in die Achsabdeckung eingelassen.

Die All-in-One-LED-Lichteinheiten sind fast unsichtbar in Rahmen und Gabel verbaut

Unaufgeräumte Elektrik kann Udo nicht leiden. Deshalb verbaut er grundsätzlich Elektroboxen, die er irgendwo versteckt. Hier zum Beispiel ist der vordere Motorhalter gleichzeitig die Elektrobox. So war der unschöne Motorhalter weg und Tacho, Zündschloss, Sicherungen, Relais gut und formschön verstaut. Für den Blinkerschalter, Hupe- und Fernlicht Taster gab’s noch eine Supermini-Armatur.

Offene Pipes für die Evolution Sportster

Die Auspuffanlage verlegte der Customizer eng an Motor und Rahmen entlang, damit der breiteste Teil des Bikes der Motor bleibt (der Lenker ist natürlich ausgenommen). Jetzt mussten noch alle starren Leitungen (Öl, Bremsleitung und Benzin) in Kupfer gebogen werden. In die Benzintanks wurden wegen der vielen Tiefpunkte zwölf Verbindungsfittings eingeschweißt, damit die 6,5 Liter Volumen auch voll ausgenutzt werden können; das reicht locker für 100 Kilometer.

Chrom statt Lack macht die Metallarbeiten transparenter

Jetzt war es vollbracht, zumindest der Rohbau. Zerlegen, alle Teile fertig schweißen, Tanks auf Dichtigkeit abdrücken. Lackiert wurden nur der Rahmen, Gabel, Lenker und Kleinteile. Die Blechteile kamen zum Verchromer. „Mann, haben die sich gefreut, als ich mit meinen mehr als 70 Einzelteilen und einem dreiwöchigen Erledigungsfenster da angekommen bin.“

Der Name ist Snowboard-inspiriert

Die anschließende Bemalung auf den Tanks und Fender nahm Michael Endres mit dem Pinsel vor. Der Name des Bikes, „V-Rocker“, entstand beim Snowboarden. Diese Boards sind an beiden Enden nach oben gebogen. „Das sieht fast so aus wie das runde V, das sich durch mein ganzes Bike zieht.“ Die Boards heißen V-Rocker. Und die „69“? Richtig geraten! 1969 wurde in einem Mainzer Krankenhaus der Grundstein für dieses Bike gelegt – oder besser – geboren.

Info | bike-project.de