Man mag es kaum glauben, aber dieses Wahnsinnsgefährt mit Harley-Davidson Evolution V2 ist der „Daily Runner“ eines jungen Schweden.
Heutzutage verbindet man Luftfederung und riesige Vorderräder mit dem langsam abklingenden Mode-Trend der „Custom-Bagger“, aber Victor Wångstedt aus Göteborg hat das Konzept für eine sogenannte Ratte verwendet und sogar eine Methode erfunden, um das Bike mit echtem Rost zu besprühen! Wir treffen Victor und seine Ratte an unserer Lieblings-Fotolocation im Zentrum von Göteborg, dem komplett mit Graffiti verzierten Kunstmuseum Röda Sten.
Ein komplettes Rolling Chassis für 7.000 Dollar
Victor lässt die Luft aus dem Federungssystem ab, bis der Rahmen mit einem lauten Klonk auf dem Boden aufsetzt. Keine zwei Minuten später kommt irgendein Klugscheißer vorbei und meint: „Das Ding kann man doch nicht fahren!“ Victor antwortet spontan: „Nein, natürlich nicht, ich habe es den ganzen Weg hierher getragen.“ Victor ist Anfang 30 und arbeitet als Harley-Mechaniker im „1903 Workshop“.
Das wilde Bike auf den Bildern ist das Ergebnis davon, dass Victor im Internet einem amerikanischen Customizer gefolgt ist. Der Typ heißt Todd Anglani und baut in seiner Firma „After Hours Bikes“ in Cooper City/Florida solch abgefahrene Fahrgestelle. Victor gefiel, was er sah, und er bestellte zum Preis von 7.000 Dollar ein komplettes Rolling Chassis mit Rahmen, Gabel und Rädern. „Die Passgenauigkeit war nicht gerade überragend, ohne reichlich Modifikationen hätte ich das Ding nicht zusammenbekommen.
Die Ratte schwebt so sanft dahin wie ein Boot auf dem Teich
Das Fahrgestell wurde ohne die Luftfederungskomponenten geliefert, so dass Victor diese Teile selbst besorgen musste. Er baute einen kleinen Bordluftkompressor hinter das Getriebe. Der massive hintere Luftdämpfer ist ein Aftermarket-Teil für die Chevrolet Corvette, an der Vordergabel verrichtet ein Pärchen universelle Luftdämpfer aus dem Autobereich seinen Dienst. Aber wie fährt sich sowas? „Nun, wenn ich die Luft auf das höchste Level aufpumpe, wird das Motorrad irgendwie steif und bockig, aber wenn ich es so um die 25 Millimeter tiefer einregele, schwebt es so sanft dahin wie ein Boot auf dem Teich. Ich habe auch noch eine Softail Night Train, aber das Bike hier fährt sich eigentlich geschmeidiger und komfortabler“.
Der Sitz stammt von einem alten Traktor. Victor hatte ihn zunächst ein gutes Stück weiter hinten montiert, kam aber dann nicht mehr vernünftig an den Lenker und die Fußrasten, die übrigens aus einem Paar alter Twin-Cam-Kolben gemacht sind. Durch den supertiefen Rahmen gab es keine Möglichkeit, den Öltank und die Batterie an deren traditionellen Platz unter dem Sitz unterzubringen.
Harley-Davidson Evolution mit Öltank hinter dem Lenkkopf
Die Batterie landete deshalb vor dem Harley-Davidson Evolution V2 und der Öltank ist das runde Fass hinter dem Lenkkopf. Victor gibt zu, dass er nicht sicher war, ob der Motor das Öl so hoch pumpen kann, aber bisher war das kein Problem. Der runde Tank ganz unten vor dem Motor ist ein Druckluftspeicher, der zusammen mit einem Drucksensor garantiert, dass den Federelementen stets genügend komprimierte Luft zur Verfügung steht.
Auffallend ist, dass an dem Motorrad kein einziges Chromteil verbaut ist, was ein unmissverständliches Indiz für Victors Abneigung gegen den Chrom-Hype bei Harleys ist. Victor steht auf Rost. Um das Rost-Finish zu erhalten, hat er Farbe und Eisenspäne gemischt und verschiedene Teile mit der Mischung besprüht und gebürstet. Sogar sein Helm hat die Rostbehandlung bekommen. Echter Rost auf einem Fiberglashelm sieht ziemlich bizarr aus.
Victor fährt seine Ratte im Sommer fast jeden Tag
Die türkise Farbe hat Victors Freundin Emmy ausgesucht. Sie hat das Bike auch lackiert, einfach nur so, obwohl sie vorher noch nie etwas lackiert hatte. Bei einem Bike, das so extrem ist, könnte man meinen, dass es viel Zeit in einer Garage verbringt und verstaubt. Nicht so bei Victor. Der fährt im skandinavischen Sommer so ziemlich jeden Tag damit, pendelt zur Arbeit, cruised zu Biker-Partys, und es macht ihm auch nichts aus, bei Regen zu fahren, denn dadurch bekommt seine Ratte ein noch kampferprobteres und rostigeres Finish.
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