Das Gebrauchtangebot an Harley-Davidson Evo Sportster ist groß, die Preise meist happig. Was es zum Second-Hand-Kauf zu wissen gibt …

Den Großteil des Gebrauchtangebots stellen die Evolution-Sportsters, die 1986 eingeführt werden und einen Quantensprung in Sachen Qualität und Zuverlässigkeit darstellen. Zylinder und Köpfe sind nicht mehr wie beim Shovelhead aus Grauguss, sondern aus einer Leichtmetalllegierung hergestellt, wodurch der Motor thermisch gesünder arbeitet. Drastisch minimierte Fertigungstoleranzen sorgen für eine deutlich verbesserte mechanische Laufruhe des Aggregats und dank Hydrostößeln entfällt das Einstellen der Ventile. Die Wartungsintervalle bleiben für die Modelle von 1986 bis 2003 aber mit 4000 Kilometer unerfreulich kurz.

Vorsicht bei der Evo Sportster mit Vierganggetriebe!

Auch im Evo-Zeitalter macht das Vierganggetriebe reichlich Ärger. Die Getrieberäder sind von minderer Qualität und sorgen bei Bruch für eine Kettenreaktion, die etliche Zahnräder mit ins Grab reißen kann. Erst mit Einführung der Five-Speed-Box ab 1991 verbessern sich Schaltbarkeit und Zuverlässigkeit deutlich. Sinnvollerweise greift man zu einem Modell mit Zahnriemenantrieb, der ab 1993 serienmäßig in allen Sportster-Modellen verbaut wird. Dieser wartungsarme Wunderriemen wurde im Laufe der Jahre immer schmaler und gleichzeitig immer haltbarer. Sanfte Lastwechsel und geschmeidiges Ansprechverhalten bietet er jedoch schon bei seiner Premiere 1991.

Fehlersuche Evo-Sportster – 1986 feiert der Evolution-V2 mit 883 und 1100 ccm Hubraum seinen Einstand in der Sportster-Reihe, letzterer wird bereits 1988 von einer 1200er-Version abgelöst. Der Evo ist nicht nur leichter und kraftvoller als sein Vorgänger, sondern auch laufruhiger, thermisch gesünder und wartungsfreundlicher. Und der Evo-V2 hält als erster Harley-Motor seinen Schmierstoff gewöhnlich auch weit jenseits von 50000 Kilometer Laufleistung bei sich

Auf die vielbeschworenen Good Vibrations müssen aber auch Evo-Fahrer nicht verzichten, was man spätestens daran erkennt, dass mal wieder eine Glühbirne das Zeitliche gesegnet hat, Nummernschild oder Halter ein- bzw. abgerissen sind oder Instrumente und Spiegel den Massekräften Tribut zollen mussten. Erst mit der Einführung der Gummilagerung ab Modelljahr 2004 gehören die Rüttelverluste weitgehend der Vergangenheit an. Die Verlängerung der Wartungsintervalle von 4000 auf 8000 Kilo­meter spricht ebenfalls für die Rubber-Modelle.

2004 kam die Evo Sportster mit Gummilagerung

Auch das gründlich überarbeitete Evo-Triebwerk macht die Modelle ab 2004 interessant: Neue Zylinderköpfe, neue Kolben, größere Kühlrippen und Ölspritzdüsen am Zylinderfuß sorgen für einen verbesserten Wärmehaushalt, mehr Drehmoment und dezent gestiegene Drehfreudigkeit. Andererseits plagen sich die ohnehin nicht gerade leichtgewichtigen Sportster-Modelle nach der gründlichen Modellüberarbeitung mit einem Mehrgewicht von bis zu 30 Kilo. Im Fahrbetrieb stört der Hüftspeck jedoch nicht und auch der Wechsel von 130er- auf 150er-Hinterreifen trägt nicht zu einer Verschlechterung des Fahrverhaltens bei. Im Gegenteil, durch den nun deutlich verwindungssteiferen Rahmen gibt sich die Sportster präzise und stabil und liegt satter denn je auf der Straße.

Bis Modelljahr 2003 war der Evolution-V2 starr mit dem Rahmen verschraubt

„Viele Sportster sehen wir zu den ersten zwei oder drei Inspektionen und dann erst wieder viele Jahre später mit oftmals mehr als 100000 Kilometer Laufleistung auf dem Tacho“, sagt Thomas Gärtner von H-D Rhein-Neckar in Ludwigshafen. Regelmäßige Öl- und Filterwechsel machen viele Sportster-Fahrer selbst, der Zahnriemen hält bei gelassener Fahrweise ewig und der Evolution beginnt erst bei sehr hoher Laufleistung, an Ventildeckel- und Zylinderfußdichtung Schmierstoff zu verlieren.

Die Einspritzanlage bringt zusätzlichen Ballast

Seit 2007 ist die Vergaser-Ära auch in den Sportys zu Ende. Die Umstellung auf Einspritzung hat die Company erstaunlich gut hinbekommen. Die Gasannahme ist sanfter und gleichmäßiger geworden und auch die Lastwechsel gehen unverändert geschmeidig vonstatten – da hatten andere Hersteller einen deutlich ruppigeren Umstieg. Aber so gut die Einspritzanlage auch funktionieren mag, sie bringt einiges an zusätzlichem Ballast mit sich. Schließlich muss der elektronisch gesteuerte Injektionsvorgang mit zahlreichen Messwerten angefüttert werden. Dazu werden Luftdruck, -temperatur und -menge gemessen, was den Einsatz von etlichen Sensoren, Sonden, Kabeln und Schläuchen nötig macht.

Seit 2004 ist das Aggregat gummigelagert, was das Vibrationsaufkommen deutlich minimiert. Gut: Das hässliche Interferenzrohr ist nun unsichtbar im Auspuffhalter vesteckt. Schlecht: Die „rubber mounted“-Sportsters sind um bis zu 30 Kilo schwerer

Dazu kommt das elektronische Steuergerät, die Einspritzpumpe und der Druckregulierer. Dies alles sorgt dafür, dass die Sportys mit Beginn der Einspritz-Ära alles andere als clean daherkommen. Wer also größere Umbauvorhaben im Kopf hat, sollte sich besser nach einer Vergaserversion umschauen. Doch auch für die Evo-Sportster gilt: Viele Probleme beginnen mit dem Umbau. Da reicht schon der Anbau eines anderen Lenkers, wenn Kabel, Züge und Leitungen angepasst werden müssen. Früher oder später führen schludrig durchgeführte Umbaumaßnahmen zu Problemen. Und sei die Optik noch so gelungen – ein intensiver Blick auf die Details ist unerlässlich!

Die XR 1200 ist nichts für Cruising-Fans

Mit der 2008 vorgestellten XR 1200 wird nur glücklich, wer mit Cruising nichts am Hut hat. Nach dem Ende der Buell-Ära unter dem Dach der Company war sie der einzige Langhubköder für Motorradfahrer, die zurückverlegte Fußrasten und heftige Schräglagen schätzen. Die XR 1200 bricht allerdings mit der guten alten Harley-Tradition des Full-Metal-Bikes, denn Tankabdeckung, Fender und Heckteil sind aus Kunststoff gefertigt. Na ja, bei einem sportlichen Motorrad geht das irgendwie in Ordnung. Zumal die XR, erst recht in der X-Version, ein durchaus ernstzunehmender Kurvenkratzer ist.

Egal, ob beim kleinen Aggregat mit 883 ccm oder bei der stärksten 1200er mit mehr als 90 PS im XR-Sportler: Im Zeitalter der Euro-Normen sind alle Modelle mit Benzineinspritzung ausgerüstet

Mit verbesserten Federelementen, schwimmend gelagerten, feiner dosierbaren Vorderradbremsen und dem geschwärzten Erscheinungsbild federt und bremst sie besser und wirkt deutlich edler als die bereits 2010 wieder eingestellte Normalo-Version. Der 90 Pferdestärken leistende Evo-V2 läuft ebenso zuverlässig wie in den leistungsschwächeren Standard-Versionen. In den XB-Buells leistet das scharfgemachte Aggregat mehr als 100 PS, so dass der etwas milder getunte XR-Motor die Leistung problemlos und zuverlässig abdrückt.

Gebrauchte Evo Sportster gibt’s ab rund 5.000 Euro

Statt des nervigen Elektrolüfters wie bei den XB-Buells sorgt hier ein rustikal an den linken Rahmenunterzug genagelter Ölkühler für gesunde Thermik. Wer ein Auge auf die XR 1200 geworfen hat, wird bereits seit mehr als 10 Jahren nur noch auf dem Gebrauchtmarkt fündig – Harley hat das Modell mangels Erfolg Ende 2012 eingestellt. Gebrauchte Sportster gibt’s ab rund 5.000 Euro, komplett runtergerittene Bastelbuden manchmal auch etwas drunter. Eine nagel­neue Sportster Iron 883 mit ABS kostete letzten Modelljahr 2020 10.650 Euro. Das Topmodell, die 1200er Roadster 12.795 Euro – jeweils zzgl. Nebenkosten.

Mit dem Abschied vom Vergaser und der Einführung der Fuel-Injection 2007 kam es zu einer regelrechten Strippen-Invasion. Eine dicke Wurst aus Kabeln, Schläuchen und Steckverbindungen zieht sich durchs halbe Motorrad und ist recht ordinär verlegt. Die seit 2004 serienmäßig verbaute Alarmanlage sorgt für zusätzlichen Ballast. Erst mit Einführung des CAN-Datenbussystems zum Modelljahr 2014 konnte der Kabelwust wieder reduziert werden

So gesehen grenzen die aufgerufenen Gebrauchtpreise teilweise an Unverschämtheit, denn sie liegen mitunter deutlich über den damligen Neupreisen. Wohl dem, der eine Evo Sportster in der Garage stehen hat. Durch die quasi jährlich stattfinden­den Modellpflegemaßnahmen hat die Sportster mehr und mehr an Reife gewonnen. Anders als bei Rotwein gilt für Evo-Sportys: Je jünger, desto besser. Derbe Vibrationen, Vergaserversorgung und den Mittelfinger für Euro-Normen gibt’s allerdings nur bei Sporties, die 20 Jahre und älter sind.

 

Die Evolution-Sportys sind echte Dauerläufer. Größeren Ärger verursachen lediglich die bis 1990 verbauten Vierganggetriebe und Vibrationsschäden an der bis 2003 produzierten Modellgeneration

 


Modellpflegemaßnahmen Evo-Sportster

1985 Markteinführung Sportster 883

1986 Markteinführung Sportster 1100

1987 Sportster 1200 ersetzt die 1100er-Version | Markt­einführung 883 Hugger | Stoßdämpfer und Schwinge verlängert | stärkere Gabelstandrohre mit Chromkappen | neuer Vergaser

1991 Zahnriemenantrieb für XL 1200 und Deluxe | Motor überarbeitet | neues Fünfganggetriebe

1992 Neue Bremsen | höherwertige Lackierungen | Zündschloss der 1200er verlegt | Standard und Hugger mit O-Ring-Kette | Hugger mit niedrigerer Sitzhöhe | neuer Sitz und Buckhorn-Lenker für Deluxe-Modelle

1993 Zahnriemenantrieb für alle Sportster-Modelle

1994 Kabelbaum, Rahmenheck, Zündschloss und Primärdeckel mo­difiziert | gummigelagerte Fender

1995 Elektronischer Tacho

1996 Markteinführung XL 1200 Custom und XL 1200 Sport | Lenker­armaturen modifiziert | 12,3-Liter-Tank für 1200er

1998 Neue Ölpumpe | optimierte Elektrik | neue Zündung | neuer elektronischer Tacho für XLH 883 | XL 1200 S mit neuer Sitzbank und über­arbeitetem Motor (Nockenwellen, Zylinderköpfe, Zündung)

1999 Custom 53 und 1200 Custom mit vorverlegten Fußrasten und schmalerem Dragbar-Lenker | Tacho modifiziert

2000 Neue Festsattel-Scheibenbremsen | gekapselte Radlager | wartungsfreie Batterie | größerer Tank für XL 53 C und XL 1200 C

2001 Alle Modelle mit H-D-Bereifung (Dunlop) | 883er mit modifiziertem Ansaugtrakt und mehr Leistung | Nockenwellen-Zahnräder, Ölpumpe und Schmiersystem modifiziert | 1200er mit optimierten Zylinderlaufbuchsen

2002 Markteinführung XL 883 R | neue Blinker | neuer Benzinhahn | 883 Hugger mit niedrigerer Sitzhöhe und überarbeiteten Federelementen

2003 100th-Anniversary-Jahrgang mit Jubiläums-Tankemblem

2004 Markteinführung der neuen Sportster-Baureihe | Motor kom­plett überarbeitet, leistungsgesteigert und gummigelagert | neues Schmiersystem | Zündung und Auspuffanlage überarbeitet | leichtgängigere Kupplung | neuer Rahmen | neues Bremssystem| 150er-Hinterreifen | Wegfahrsperre und Alarmanlage serienmäßig | Custom-Modelle mit 17-Liter-Tank | dünnere Len­kergriffe| auf 8000 Kilometer verlängerte Service-Intervalle | verstecktes Interferenzrohr | Markteinführung XL 1200 Roadster

2005 Klarglas-Scheinwerfer | höherwertige Verchromung der Speichenräder | steifere Hinterradschwinge mit stabilerer Hinterradachse | modifizierte Aufnahme des Bremssattels

2006 Getriebe, Kupplung u. Bremslichtschalter neu | längerer Seiten­ständer für 883, 883 R und 1200 R | modif. Wegfahrsperre | Neu XL 883 Low

2007 Umstellung auf Einspritzung | neue Alarmanlage | Kupplung und Bremse leichtgängiger | neue Instrumente | Überarbeitung des 883er-Motors

2008 Markteinführung XL 1200 Nightster | Seitenständerschalter statt Einklappsicherung | verbesserte Kopfdichtungen | 1200 Roadster mit 17- statt 12,5-Liter-Tank | 25 Millimeter starke Radlager und hohlgebohrte Radachsen – torsionssteifere Konstruktion | Einführung der XR 1200 mit 91 PS

2009 Verstärkter Rahmen | Fahrwerk überarbeitet (außer 883 Low und 1200 Nightster) | Frontfender, Kupplungszug, Schaltmechanismus, Krümmerdichtungen, Batteriehalterung und linker Seitendeckel geändert | neues Scheiben-Hinterrad für Custom-Modelle | Neu XL Iron 883

2010 Neuer Öltank mit integriertem Überdruckventil | neue Anordnung von Motorsteuergerät und Sicherungen mit besserem Schutz vor Korrosion |­ optimierte Katalysatoren | Neu Sportster Forty-Eight und XR 1200X

2011 Neuer Statoranschluss der Lichtmaschine | optimierte Ventildeckel­dichtungen und Seitenständerhalterung | Neu 883 SuperLow u. 1200 Custom

2012 Neue Bereifung, Michelin Scorcher | Seitendeckel und Öltankab­deckung jetzt in glänzendem oder mattem Schwarz | neue Tank-Graphics für die Forty-Eight | neue Klemmung für Lenker und Tacho an der XL 883R | neue Schlösser für Zündung und Lenker | Hard-Candy-Custom-Lackierungen

2013 Limitierte Sportster 1200 Custom 110th Anniversary Edition (1500 Einheiten) | zwei zusätzliche Factory Custom Limited Modelle XL 1200 CA und XL 1200 CB | Forty-Eight mit Hard-Candy-Custom-Lackierung

2014 ABS serienmäßig (außer Iron 883) | neue 300-­Millimeter-Bremsscheibe vorn | neue Bremskolben und neuer Hauptbremszylinder | verschlankte Fahrzeugelektrik mit CAN-Bus-System | neue Auspuffanlage |­ zusätzliches LCD-Display mit Gang- und Drehzahlanzeige | Keyless-Ignition-System mit Wegfahrsperre und Alarmanlage

2015 Auch Iron 883 mit serienmäßigem ABS

2016 Neue Fahrwerkskomponenten mit Cartridge-Gabel und stufenlos in der Vorspannung einstellbaren Emulsion-Federbeinen (außer SuperLow 1200T) | Iron 883 und Forty-Eight im verschärften Dark-Custom-Look, kleinerer, runder Luftfilter, neue Farben und Tankgraphics | bequemere, abgesteppte Sitze | neue Leichtmetallgussräder | Iron mit neuer, schwimmend gelagerter Bremsscheibe vorn | Forty-Eight mit kräftigeren Leichtmetall-Gabelbrücken und dickerer Gabel mit 49 Millimeter Standrohrdurchmesser

2017 Alle Modelle mit Anschluss für H-D-Batterieladegerät

2018 Sondermodell Fourty-Eight 115th Anniversary (XL 1200X ANX). Überarbeitung der 1200 Custom mit mittig platzierten Fußrasten

2019 SuperLow, Iron 883, Forty-Eight und Roadster mit neuen Tankgraphics. Neuen Lackfarben für alle Sportster-Modelle

2020 Keine Modellpflegemaßnahmen. Sportster-Palette in Deutschland mit acht Modellen: SuperLow (XL 883L), Iron 883 (XL 883N), Iron 1200 (XL 1200NS), Sportster 1200 Custom (XL 1200C), Forty-Eight (XL 1200X), Forty-Eight Special (XL 1200XS), SuperLow 1200T (XL 1200T), Roadster (XL 1200CX)

2021 Kein Import der Sportster-Modelle mehr nach Deutschland

2022 Am 18. November läuft die letzte luftgekühlte Sportster im Harley-Davidson-Werk in York, Pennsylvania vom Band