Hier erzählt uns Uwe Dallwitzer die spannende Geschichte seiner Harley-Davidson FLH 1200, die er über viele Jahre hinweg Stück für Stück und Detail für Detail in seine ureigene Dream Machine verwandelt hat.

Über die Geschichte dieses Bikes kann ich sehr viel erzählen, es befindet sich nämlich seit mehr als 30 Jahren in meinem Besitz. Damals war ich 22 und absolvierte gerade meinen Pflicht-Wehrdienst. Moped fahren fing ich mit 16 an, ein Suzuki-Mokick brachte die große Freiheit. Nach dem Autoführerschein kam das erste Auto, ein Käfer aus dem Baujahr 1965. Ein Motorradführerschein war erst mal unerreichbar, weil zu teuer.

Oldtimer, besser als neu: Diese Electra Glide wurde letztes Jahr 50

1984 wurde ich dann mit dem Harley-Virus infiziert, ich hatte im Fitness-Studio die Brüder Freddy und Franz Stauch kennengelernt. Freddy hatte sich als Neufahrzeug eine der letzten Wide Glide Shovelheads gekauft, sein Bruder Franz besaß eine 1981er Super Glide. ‚Geile Sache‘, dachte ich, ‚das brauche ich auch.‘ Allerdings fehlte mir die nötige Kohle, ich war noch in der Lehre. Also fing ich an zu sparen und machte zunächst den Einser-Führerschein. Harley fuhr ich ab und zu, aber als Sozius bei Freddy hintendrauf. Um selbst zu fahren, dachte ich über eine Zwischenlösung mit einer Yamaha SR 500 nach. Ich fuhr so ein Ding Probe und stellte fest: Das ist nichts für mich, lieber noch ein Jahr warten und weiter Geld sparen.

Harley-Davidson FLH 1200 – Long-Glide

Im Kopf hatte ich immer schon das Bild einer abgespeckten E-Glide im Police Style, langgabelige Chopper sind nicht so mein Ding. Bis ich zur Bundeswehr musste, hatte ich 10.000 Mark zusammen. Doch das war zu wenig, also hieß es, noch nebenher zu jobben. Irgendwann hatte ich 15.000 Mark auf der hohen Kante, jetzt fehlte nur noch das Bike. Zunächst schaute ich mir eine gebrauchte Super Glide von 1978 an, aber neee, das wird nix. Und dann erhielt ich einen entscheidenden Tipp: Fünf Kilometer von meinem Zuhause verkaufte jemand eine gebrauchte Electra Glide. Hingefahren, angeschaut – das war sie! Genau so hatte ich meine Harley im Kopf. Doch der Zustand war alles andere als toll, und sie kostete meine ganzen Ersparnisse.

Konsequent wurde der Look des Bikes auf Schwarz, Weiß und Chrom reduziert. Nur das Rücklicht ist noch rot

Egal, das Ding musste her, danach war ich blank. Mein Vater war alles andere als ‚amused‘, das ganze Geld weg für solch einen Schrotthaufen; das war seine Meinung (er hatte auch noch recht), aber mir war das egal. Und das Erste, was ich nach dem Unterzeichnen des Kaufvertrages vom ehemaligen Besitzer ausgehändigt bekam, war ein Reparaturhandbuch. Heute verstehe ich warum. Die Schrauberei ging los! Ölverlust, Zündung, Elektrik, Vergaser, Kupplung, Ventile, Bremsen … alles hatte Macken und machte Mucken. Jede Stunde auf dem Moped bedeutete zugleich eine Stunde drunter, die Finger immer dreckig, der ewig präsente Getriebeölgeruch ist eine Erinnerung an diese Zeit. Ich hatte keine Garage, die Kiste stand während dieser Zeit immer bei den Gebrüdern Stauch. Die Jungs zeigten mir auch, wie man richtig schraubt und repariert.

Herrliche Schwedentour und tiefe Riefen im Zylinder

In meinem ersten Harley-Jahr sind wir nach Schweden gefahren. Das hat super geklappt, alles hat gehalten, zwei Liter Motorenöl hatte ich dabei, die waren danach aber weggeschlürft. Dann kam Ende des Jahres der große Gau, eine Stößelrolle hatte sich aufgelöst und ihre harten Lagernadeln einmal durch den ganzen Motor geschickt. Das Aggregat musste raus. Bei Monster Motors im badischen Meckesheim wurde er aufgemacht, es musste fast alles neu rein. Die Riefen in den Zylindern waren so tief, die mussten auf Kolben-Übergröße 6 gehont werden. 3.500 Mark hat mich der Spaß gekostet.

Seit mehr als 30 Jahren verfeinert Uwe Dallwitzer seine E-Glide. Mittlerweile ist er fertig, es gibt tatsächlich nichts mehr zu tun

1989 bekam das Bike die erste schwarz-weiße Lackierung. Außerdem flog der E-Starter raus, ein Kicker wurde installiert. Dazu kamen noch 2-in-1-Krümmer mit Fishtail-Töpfen, ein Horseshoe-Öltank mit außenliegendem Ölfilter und ein Sozius-Sitzpad. 1990 dann der nächste Gau: Getriebeschaden. Eine Schaltmuffe war gebrochen. Es gab ein Loch im Getriebegehäuse, im dritten Gang und mit viel Kupplung schaffte ich es gerade so nach Hause. Ich griff mir mein Reparaturhandbuch, baute nach Anweisung das Getriebe aus und zerlegte es komplett. Es stellte sich heraus, dass ich eine Menge Ersatzteile besorgen musste, die Schaltwelle habe ich selbst hergestellt. Das Loch im Gehäuse ließ sich abdichten. Und siehe da: Ich war selbst überrascht, aber das Getriebe hat wieder funktioniert, bis 1995 bin ich ohne Probleme damit gefahren.

Harley-Davidson FLH 1200 – 15 Jahre in Einzelteilen

Dann kam eine große Pause. Von 1995 bis 2010 bin ich aus privaten Gründen nicht gefahren, zu groß waren die Aufgaben, an Fahren nicht zu denken. In dieser Zeit lag das Moped zerlegt in allen Einzelteile in der Garage, 1999 steckte ich es anlässlich eines Umzugs in ein anderes Haus lustlos zusammen, gerade so, dass es geschoben werden konnte. Das blieb so bis 2006. Damals sollte die Maschine wieder auf Vordermann gebracht werden. Ich hatte einen neuen 5-Gallonen-Tank gekauft und zum Innenbeschichten weggebracht. Ich habe dann noch dies und das besorgt, aber irgendwie wieder die Lust verloren. So stand das Projekt dann bis Mitte 2009 halbfertig im Büro herum.

 

Kultig: Motorsirene vorn links im Sturzbügel

Dann kam der große Motivationsschub: Im Jahr 2009 wurde das Bike nochmals komplett zerlegt. Ich startete eine Neuteile-Offensive: neues Getriebe, Rivera-Kupplung und Primärtrieb per Belt, elektronische Single-Fire-Zündung, neuer Heckfender mit Scharnier, Bremsen hinten und vorn komplett neu, eigener Kabelbaum mit Blackbox im Ochsenkopf, kurze Stoßdämpfer hinten, Lowering Kit vorn zum Tieferlegen, weiße Blinkergläser und eine Komplettlackierung. Silvester 2009 habe ich dann die halbfertige Maschine nur mit Krümmern bestückt im Büro angekickt. Sie sprang an, war höllisch laut, danach stank es im Haus tagelang nach Sprit und Abgas, obwohl ich kräftig gelüftet habe.

Prüfung ohne Mängel und ein H-Gutachten

Anfang April 2010 ging’s dann ohne Bleche und mit einer Katzenfutterdose voll Sprit ein paar Runden um den Block, um zu testen, ob Getriebe und Kupplung funktionieren. Noch im gleichen Monat, nach 15 Jahren Stillstand, war es endlich so weit – der TÜV-Termin stand an. Den Benzintank hatte ich erst am Abend zuvor vom Lackierer zurückbekommen. Was soll ich sagen: Prüfung ohne Mängel und ein H-Gutachten, ich war mächtig stolz. Seitdem fahre ich wieder regelmäßig, habe noch einiges daran verändert, Motorsirene vorn links im Sturzbügel (die originale Radsirene wäre mir lieber gewesen, aber dann kann hinten niemand mehr mitfahren, weil dort die Fußraste sitzt).

Zahlreiches Zubehör schmückt den zweifarbig lackierten Oldie

Außerdem bestückte ich die Blinker mit LEDs, damit diese vollständig weiß sind, ebenso die Anzeigen mit farbigen LEDs, abgedeckt mit geschliffenem Plexiglas. Somit habe ich alle Farbe aus dem Motorrad entfernt, es sind nur noch die Tachonadel, das Öldrucklämpchen und das Rücklicht rot. Der Sirenenluftfilter für den Bing-Vergaser hat eine spezielle Abstützung über den Motorstehbolzen. Der Bing-Vergaser war so eine Sache. Normal versorgt er bei einer BMW einen Zylinder mit 500 ccm, bei mir muss er zwei Zylinder mit je 600 ccm füttern. Um ihn montieren zu können, wurden zwei Alu-Flansche angefertigt und aufgepresst, damit er auf den Manifold passt.

Die Harley-Davidson FLH 1200 wurde stetig verbessert

Eine größere Düse und eine selbst angefertigte Düsennadel bringen jetzt genügend Sprit in die Zylinder, das Kerzenbild ist nun rehbraun und die Krümmer nicht mehr so blau. Nicht wenige Teile hat mein Freund Sven Radlach angefertigt. Er ist Werkzeugmacher und hat Zugriff auf einen riesigen Maschinenpark. Seither gab’s nur noch kleine Verbesserungen. Vor ein paar Jahren habe ich von einem USA-Urlaub einen hydraulischen Ventiltrieb mit Stößelstangen von Jims mitgebracht und die starren Stößel ausgebaut. Endlich hat das Klappern der Ventile ein Ende. Und als jüngste Änderung gab’s kürzlich erst eine 31 Zoll lange, beidseitig verlaufende Auspuffanlage mit Fishtail-Enden. Aus meiner Sicht ist das Motorrad jetzt fertig. Es ist homogen, die Linie stimmt von vorn bis hinten. Schade, denn jetzt habe ich nichts mehr zu tun. Aber vielleicht kann ich ja meiner Frau demnächst ein Milwaukee-Schmuckstück bauen, die ist nämlich auch inzwischen auf den Geschmack gekommen.“