Bevor mit Einführung des Milwaukee-Eight-Motors die Baureihen Softail und Dyna zusammengelegt wurden, konnten sich die Kunden noch zwischen Starrrahmenoptik und Agilität entscheiden. Doch was verbindet und was unterscheidet die beiden sonst noch voneinander? Ein Vergleich von Softail Fat Boy und Dyna Fat Bob.
Zunächst einmal ist es unheimlich schwer, über Ikonen wie die Fat Boy zu schreiben, und dabei sogar kritische Töne anzustimmen. Ein Bike, das so langanhaltend so erfolgreich war wie der alte „Dicke Junge“ muss sich nicht vergleichen lassen. Solch ein Bike steht über den Dingen … wenn da nicht … ja, wenn der Angriff nicht ausgerechnet aus den eigenen Reihen vorgetragen worden wäre.
Fat Boy, Fat Bob, Blow Job?
Fat Bob hieß der freche Herausforderer zu Twin-Cam-Zeiten. Und wollen wir um einen Hektoliter Linsensuppe mit Würstchen wetten, dass die frappierende Namensähnlichkeit marketingtechnisch kein reiner Zufall war? Fat Boy Fat Bob Foy Bat Blow Job … beginnt euch auch schon der Kopf zu schwirren? Aber eines muss man den Namen lassen. Sie sind kurz, knackig, prägnant und haben Tradition.

Bereits 1979 brachte Harley-Davidson eine Fat Bob auf den Markt. Dies war eine Super Glide mit breitem Tank, hochgezogenem Buckhorn-Lenker und tiefem Sitz. So gesehen ist die Dyna-Version ihrem Ahnen gar nicht unähnlich. 1990 debütierte die erste Fat Boy. Sie rollte schon damals auf den für sie charakteristischen Vollscheibenrädern, und auch die massigen, tief heruntergezogenen Schutzbleche prägten ihre Erscheinung.
Dyna oder Softail? Für Dynamiker ist die Sache klar!
Technisch hatet sich natürlich unendlich viel getan. Die Ur-Fat Bob war mit dem von AMF qualitätsmäßig in die Grütze gerittenen Late Shovelhead motorisiert, die ersten neun Jahre Fat Boy standen im Zeichen des Evo-Antriebs. Ab Modelljahr 2007 werkelte in beiden Modellen der Twin Cam 96 mit 1.580 Kubikzentimetern Hubraum, in der Fat Boy – sie ist ja eine Softail – in der Variante mit Ausgleichwellen.

Ansonsten sind die Aggregate identisch: Bohrung, Hub, Verdichtung, Einspritzanlage – alles das gleiche. Lediglich die Leistungsdaten unterscheiden sich etwas voneinander. Auf dem Papier hat die Fat Bob mit 78 PS fünf Pferde mehr an Spitzenleistung als die Fat Boy. Kein Wunder, immerhin muss der Twin Cam B im fetten Jungen über eine lange Rollenkette zwei rechts und links der Kurbelwelle sitzende stählerne Ausgleichwellen antreiben. Das kostet Kraft.
Die real existierende Maschinenmasse verfliegt
Überhaupt erwies sich die Dyna Fat Bob auf der Straße als das deutlich fahraktivere Motorrad. Sie ist zehn Kilo leichter (immerhin!), hat einen etwas kürzeren Radstand (Fat Boy: 1635 mm, Fat Bob: 1620 mm) und profitiert im Kurvengeläuf vor allem von ihren vergleichsweise schmal gehaltenen 16-Zöllern vorne und hinten. Die hatte die Fat Boy bis Modelljahr 2006 auch noch.

Doch mit dem Modelljahr 2007 wurde die Raddurchmesser bei der beliebten Softail auf 17 Zoll vergrößert, was sich spürbar auf das Handling auswirkte. Größere Räderdurchmesser erzeugen im Fahrbetrieb größere Kreiselkräfte, die Handlingseigenschaften in schnellen Wechselkurven leiden dadurch etwas. Damit wir uns nicht falsch verstehen: Die alte Fat Boy fährt sich wirklich gut. Sobald der 330 Kilo-Brummer in Fahrt kommt – und sei es nur in Schritttempo –, verfliegt die real existierende Maschinenmasse wie von Geisterhand.
Dyna oder Softail – der Preis spricht für die Dyna
Den Harley-Ingenieuren ist eine perfekte Fahrzeugbalance gelungen. Es kippelt nichts, es hadert nichts rum, Kurve sehen, Kurve denken, hindurch – wunderbar. Fat Boy fahren macht keine Arbeit. Fat Boy fahren ist ein Genuss. Die Sitzposition ist unendlich relaxt, auf einer Fat Boy wird man im Fahrbetrieb automatisch zum besseren, weil unhektischeren Menschen. Für Gehetzte und Berufs-Nervöse darf dieses Sinnbild amerikanischen Motorradbaus getrost als Heilmittel gelten. Lediglich rennen und rasen macht mit ihr keinen Spaß.

Ganz anders ihre Schwester Dyna Fat Bob. Schon deren Aussehen sagt deutlich, wo der Hase lang läuft. Aggressiver Doppelscheinwerfer, bevorzugt matte Farben, Shotgun-Schlitze auf dem Hitzeschutzschild, Straight-Bar-Lenker an schwarzen Risern, grobstollige Profilierung der Reifen – all das signalisiert: „Obacht, Alter, mit mir ist nicht gut Kirschen essen.“
Die Fat Bob will das genaue Gegenteil der Fat Boy sein
Die Dyna Fat Bob ist ganz klar auf Bad Ass gemacht und zählt zu Harleys sogenannten „Dark Custom“-Members. In der mattschwarzen Version bringt sie das Abgründige dann auch unmissverständlich rüber. Die Fat Bob will das genaue Gegenteil der Fat Boy sein. Deren sanfter Old-Fashion-Stil macht sie allerorten zum Sympathieträger. Und genau das ist wohl das Schlimmste, was einem Fat Bob-Fahrer passieren könnte.

Sympathieträger? Pfui, Teufel! Fat Bob-Fahrer bremsen keine Milchlaster aus, sondern Tanklastzüge. Fat Bob-Fahrer signalisieren ihrer Umwelt: Hallo wach, seht her, hier kommt ein ganzer Kerl! Und das geilste an dem Fahrzeug: Es fährt auch noch exzellent. Der deutlich kleinere Lenkkopfwinkel im Vergleich zur Softail Fat Boy führt zusammen mit den oben angesprochenen Fahrwerksparametern (kleinere Raddurchmesser, schmalere Bereifung) zu einem deutlichen Handlingsvorteil der Dyna. Und natürlich haben die beiden außenliegenden Stoßdämpfer deutlich mehr Reserven als die beiden unter dem Motor liegenden Exemplare der Softail.
Die Fat Bob punktet mit Doppelscheibenbremse
Wer ab und an auf der Landstraße auch mal unartig sein will, mal Kurven räubern, spät bremsen, fein aus der Kurve zirkeln will, der ist mit der Dyna um Längen besser bedient. Umso mehr, weil er mit der Doppelscheibe am Vorderrad Anker zur Verfügung hat, die ihren Namen verdienen. Und die Schräglagenfreiheit ist gegenüber der mit Trittbrettern bewehrten Softail auch größer, wenn auch nicht fantastisch.
Unser Fazit
Fat Bob oder Fat Boy, Dyna oder Softail, böse oder nett – letztendlich ist das reine Geschmacksache. Jeder Besitzer teilt sich durch die Fahrzeuge, die er fährt, seiner Umwelt mit. Jeder Käufer verfolgt jeweils verschiedene Ziele: Das nach außen hin abgestrahlte Image ist ja nicht unwichtig. Aber auch die eigene Fahrermentalität und der bevorzugte Fahrstil sollte berücksichtigt sein. Beides muss stimmen, nur dann wird man mit seinem Bike glücklich. Der Autor hätte gerne beide Fahrzeuge in der Garage stehen. Die gemütlich harmlose Softail Fat Boy für ausgedehnte (Urlaubs-)Fahrten mit der besten Sozia von allen. Und die grimmige, agile Dyna Fat Bob für den engagierten Dreistunden-Turn auf der Hausstrecke. Die Qual der Wahl, die man bei Harley heute nicht mehr hat.


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